Kurzfristige Termine, verzögerte Bestellungen, ungewöhnliche Kundenwünsche: Selbstständige sind notgedrungen Meister im Organisieren. Auch bei der Rentenversicherung ist dieses Talent von Nutzen, denn hier wollen einige Fragen geklärt werden: Besteht trotz Selbstständigkeit eine Versicherungspflicht? Lohnt sich die freiwillige Vorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung? Und wie kommt man da überhaupt rein? Mit uns finden Sie die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Für Selbstständige gibt es bezüglich der gesetzlichen Rentenversicherung vier Möglichkeiten:
Sie zählen zu einer Berufsgruppe, für die eine Versicherungspflicht gilt – Hebammen etwa. In diesem Fall können Sie wie Angestellte nicht aus der gesetzlichen Rentenversicherung austreten und haben bei Ihren Beitragszahlungen nur geringen Spielraum.
Für Ihre Berufsgruppe besteht eine Versicherungspflicht, aber auch ein eigenes Versorgungswerk. Zahlen Sie dort ein, können Sie auf Antrag aus der gesetzlichen Rentenversicherung austreten.
Selbstständige ohne Versicherungspflicht können die gesetzliche Rentenversicherung freiwillig als Basisaltersvorsorge nutzen. Sie haben viel Flexibilität bei den Beiträgen.
Innerhalb der ersten fünf Jahre nach ihrer Existenzgründung können Selbstständige auf Antrag freiwillig eine Pflichtversicherung eingehen. Sie geben damit ihre Flexibilität auf, sichern sich aber auch bei verminderter Erwerbsfähigkeit ab und erwerben einen Anspruch auf Grundrente.
Welche Selbstständigen haben eine Versicherungspflicht?
Es ist ein Mythos, dass für Selbstständige nie eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Es ist sogar möglich, dass Sie mehrfach versicherungspflichtig sind, wenn Sie nebenberuflich selbstständig arbeiten oder mehrere selbstständige Berufe gleichzeitig ausüben. Die Deutsche Rentenversicherung benennt auf ihren Webseiten, für welche Berufsgruppen eine Versicherungspflicht gilt:
Handwerker*innen und Hausgewerbetreibende
Lehrer*innen, Hebammen, Erzieher*innen und in der Pflege Beschäftigte
Künstler*innen und Publizist*innen
Selbstständige mit nur einem beziehungsweise vorrangig einem Auftraggeber
Seelots*innen sowie Küstenschiffer*innen und -fischer*innen
Teilweise sind die Begriffe recht weit ausgelegt: Wer auf selbstständiger Basis Golf- oder auch Coaching-Stunden gibt, zählt beispielsweise auch zu den Lehrer*innen. Bei Handwerker*innen wiederum sind nur diejenigen versicherungspflichtig, deren Handwerk zulassungspflichtig ist. Da es sehr verwirrend sein kann, wo die Grenzen verlaufen, sollten Sie auf jeden Fall über die Deutsche Rentenversicherung prüfen, ob Sie einer Versicherungspflicht unterliegen. Befreit sind Sie unabhängig vom Beruf immer, wenn Sie regelmäßig nicht mehr als 450 Euro im Monat auf selbstständiger Basis verdienen.
Haben Sie festgestellt, dass Sie versicherungspflichtig sind, müssen Sie sich innerhalb von drei Monaten, nachdem Sie Ihre Tätigkeit aufgenommen haben, bei der Deutschen Rentenversicherung melden. Verpassen Sie diese Frist, sollten Sie sich darauf einstellen, dass Sie Beiträge nachzahlen müssen – unter Umständen droht Ihnen auch ein Bußgeld. Von der Versicherungspflicht befreien lassen können Sie sich, wenn Sie zu einer Berufsgruppe zählen, für die es ein eigenes Versorgungswerk gibt, in das Sie einzahlen. Dies trifft beispielsweise auf freiberufliche Ärzt*innen, Steuerberater*innen oder Architekt*innen zu.
Wie hoch sind die Beiträge für Pflichtversicherte?
Während freiwillig Versicherte ihre Beiträge recht frei wählen dürfen (siehe unten), legt die Deutsche Rentenversicherung für versicherungspflichtige Selbstständige den sogenannten Regelbeitrag fest. Dieser liegt im Jahr 2022 bei monatlich 585,90 Euro in Ostdeutschland und bei 611,94 Euro im Westen.
Haben Sie gerade erst gegründet, dürfen Sie auf Wunsch in den ersten drei Kalenderjahren nach der Existenzgründung nur den halben Regelbeitrag einzahlen. Das kann Ihre Kasse entlasten, wenn Sie zum Start noch nicht so viel Gewinn erwirtschaften. Es bedeutet gleichzeitig aber auch, dass Sie später etwas weniger Rente ausbezahlt bekommen.
Sie können sich aber auch dafür entscheiden, dass statt des Durchschnittseinkommens Ihr tatsächlicher Verdienst für die Berechnung genutzt wird. Für diesen sogenannten einkommensgerechten Beitrag legen Sie der Deutschen Rentenversicherung Ihren letzten Einkommensteuerbescheid als Grundlage vor. Je nachdem, ob Sie mehr oder weniger verdienen als der Durchschnitt, zahlen Sie dann entsprechend höhere oder niedrigere Rentenbeiträge als mit dem Regelbeitrag.
Wann können sich Selbstständige von der Pflicht befreien lassen?
Unter zwei Umständen können Sie sich von der Versicherungspflicht befreien lassen: Haben Sie als Handwerker mindestens 216 Monate, also 18 Jahre, Ihre Pflichtbeiträge geleistet, können Sie auf Antrag Ihre Zahlungen einstellen. Als Selbstständige*r, die*der zunächst nur einen Auftraggeber hat und zum ersten Mal versicherungspflichtig wird, dürfen Sie sich für die ersten drei Jahre nach der Existenzgründung befreien lassen. Dies gilt auch für die zweite Existenzgründung, sofern Sie dabei in einem anderen Bereich tätig werden.
Freiwillige gesetzliche Rentenversicherung: Für wen lohnt sie sich?
Wenn Sie als Selbständige*r nicht versicherungspflichtig sind, haben Sie die freie Wahl, wie Sie Ihre Altersvorsorge gestalten. Solange die Bundesregierung ihren Plan von einer Versicherungspflicht für alle Selbstständigen noch nicht umgesetzt hat, könnten Sie theoretisch sogar ganz darauf verzichten. Empfehlenswert ist das allerdings nicht, sofern Sie sich auf einen finanziell entspannten Lebensabend freuen.
Grundsätzlich vorzusorgen ist also sinnvoll. Und es spricht einiges dafür, die gesetzliche Rentenversicherung als Basisvorsorge in Erwägung zu ziehen. Im Folgenden ein Überblick dazu, was die Versicherung ausmacht.
Allgemeine Vor- und Nachteile der gesetzlichen Rentenversicherung
Was dürfen Sie von der gesetzlichen Rente erwarten, wo hat sie ihre Grenzen? Als Entscheidungshilfe finden Sie hier Pro- und Contra-Argumente.
Vorteile:
Gute Rendite: Regelmäßige Rentenanpassungen gleichen die Inflation aus. Und sorgen rechnerisch für eine Rendite, die mit privaten Angeboten durchaus mithalten kann. Gerade in Niedrigzinsphasen ist sie oft sogar überlegen.
Planbarkeit: Die Deutsche Rentenversicherung zeigt genau, wie sich Ihre Rentenansprüche berechnen und hält Sie über den aktuellen Stand auf dem Laufenden.
Steuerliche Vorteile: Während Sie berufstätig sind, können Sie Ihre Beiträge steuerlich absetzen.
Ansprüche addieren sich: Wenn Sie vor Ihrer Selbstständigkeit als Angestellte*r in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, werden diese Beitragsjahre mit Ihren Beitragsjahren als Selbstständige*r zusammengerechnet. In der Summe erreichen Sie unter Umständen die Mindestversicherungszeit von fünf Jahren, um überhaupt eine gesetzliche Rente zu erhalten, oder von 35 Beitragsjahren für eine vorzeitige Altersrente.
Schutz bei Insolvenz: Sollten Sie mal schlechte Zeiten durchmachen und tatsächlich zahlungsunfähig werden, ist Ihre Altersvorsorge vor dem Zugriff des Staates oder Ihrer Gläubiger geschützt.
Unabhängige Ansprechpartner: Die Deutsche Rentenversicherung hat viele Zweigstellen und ihre Mitarbeiter können Sie neutral und ohne eigene Interessen beraten.
Nachteile:
Ein- und Auszahlungen sind begrenzt: Durch die Beschränkungen bei den Einzahlungen hat auch die spätere Rente ihre Grenzen. Wünschen Sie sich mehr, müssten Sie sie um eine weitere Vorsorge ergänzen.
Taugt nicht als Notgroschen: Steht es um Ihre Finanzen einmal nicht so gut oder möchten Sie investieren, haben Sie keinen Zugriff auf die Ersparnisse Ihrer gesetzlichen Altersvorsorge.
Steuerpflicht im Alter: Auf Ihre Rente müssen Sie später Steuern zahlen. Wenn Sie gesetzlich kranken- und pflegeversichert sind, fallen auch hier Beiträge an.
Wenig Absicherung für Hinterbliebene: Ihre gesetzlichen Rentenansprüche können Sie nicht eins zu eins vererben wie etwa eine Immobilie oder manch eine Lebensversicherung. Auf die Hinterbliebenenrente wird das Einkommen Ihrer Hinterbliebenen angerechnet.
Die Möglichkeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung im Überblick
Sie haben zwei Möglichkeiten, in die gesetzliche Rentenversicherung einzusteigen. Entweder freiwillig mit frei wählbaren Beiträgen. Oder Sie entscheiden sich innerhalb der ersten fünf Jahre Ihrer Selbstständigkeit für eine Pflichtversicherung auf Antrag. Diese funktioniert dann ähnlich wie die gesetzliche Rentenversicherung von Angestellten.
Die Details und Unterschiede beider Modelle finden Sie in dieser Übersicht:
Freiwillige gesetzliche Rentenversicherung
Pflichtversicherung auf Antrag
Beschreibung
Sie zahlen monatlich frei wählbare Beträge zwischen 83,70 Euro und 1.311,30 Euro (Stand: 2022) ein. Das Pausieren von Zahlungen ist möglich.
Die Höhe Ihrer Rente bemisst sich an Ihren Einzahlungen. Die Deutsche Rentenversicherung informiert Sie regelmäßig über Ihre aktuellen Ansprüche. Hierzu einige Beispielrechnungen der Stiftung Warentest für 2020 bei einem alleinstehenden Selbstständigen:
12 Monate 83,70 Euro einzahlen erhöhte die Regelaltersrente um 4,55 Euro im Monat.
12 Monate 600,00 Euro einzahlen erhöhte die Regelaltersrente um 32,64 Euro im Monat.
12 Monate 1.283,40 Euro einzahlen erhöhte die Regelaltersrente um 69,81 Euro im Monat.
Wenn Sie als Selbstständige*r freiwillig eine Pflichtversicherung beantragen, haben Sie ähnliche Rentenansprüche wie Angestellte. Von denen unterscheidet Sie im Wesentlichen die Wahl, auf welcher Grundlage Sie Ihre Beiträge zahlen.
Wie andere Pflichtversicherte können Sie den Regelbeitrag oder einen einkommensgerechten Beitrag zahlen (siehe oben). Existenzgründer*innen können sich in den ersten drei Jahren auch für den halben Regelbeitrag entscheiden.
Vorteile
Flexibilität: Sie können die Beitragszahlungen je nach Ihrer finanziellen Lage erhöhen, verringern oder vorübergehend einstellen.
Nachträgliche Einzahlung: Ihren Jahresbeitrag können Sie noch bis zum 31. März des Folgejahres zahlen. So können Sie erst schauen, wie das Geschäftsjahr gelaufen ist, bevor Sie die Höhe der Einzahlung festlegen.
Mehr Ansprüche: Im Fall der Fälle zahlt die gesetzliche Rentenversicherung Rehabilitationsmaßnahmen oder eine Erwerbsminderungsrente. Zudem haben Sie Anspruch auf die Grundrente und bekommen nach 45 Jahren Beitragszahlungen Rente ohne Abzüge.
Riester-Förderung möglich: Wie Angestellte auch, können Sie die staatliche Riester-Förderung nutzen.
Beständigkeit: Durch die Pflicht zu regelmäßigen Einzahlungen können Sie Ihre Altersvorsorge nicht schleifen lassen.
Nachteile
Weniger Ansprüche: Sie haben weder Anspruch auf Grundrente noch im Falle einer Erkrankung auf Rehabilitationsleistungen oder eine Erwerbsminderungsrente.
Riestern nicht möglich: Für eine freiwillige gesetzliche Rentenversicherung gibt es keine Riester-Förderung.
Kein Zurück mehr: Auch wenn Ihre Entscheidung zur Pflichtversicherung freiwillig war, können Sie es sich nicht mehr anders überlegen, solange Sie selbstständig sind.
Schnelle Entscheidung gefragt: Eine Pflichtversicherung können Sie nur innerhalb der ersten fünf Jahre abschließen.
Fixe Beitragszahlungen: Wie erläutert, haben Sie bei den Beitragszahlungen wenig Spielraum und keine Möglichkeit, innerhalb der gesetzlichen Rente aufzustocken oder auf Wunsch auch mal weniger zu zahlen.
Oder doch lieber eine private Altersvorsorge?
Sie möchten wissen, ob eine private Altersvorsorge vielleicht doch besser zu Ihnen passt? Die eine bestimmte ideale Lösung gibt es hier nicht. Im Gegenteil, Sie haben sehr viele Möglichkeiten, die Sie alternativ oder ergänzend zur gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht ziehen können, etwa eine Lebensversicherung, Immobilien oder ein Aktienportfolio – um nur ein paar zu nennen. Ein Klassiker ist mittlerweile die steuerbegünstigte Rürup-Rente, die sich besonders für Selbstständige lohnt, die bereits ganz gut verdienen. Mehr Informationen zu dieser Basisvorsorge haben wir Ihnen hier zusammengestellt.
Da Lebensumstände immer individuell sind, sollten Sie sich vor Ihrer Entscheidung unbedingt beraten lassen. Die Verbraucherzentralen bieten dafür ihren Dienst an, aber auch die Deutsche Rentenversicherung selbst verspricht, Sie neutral zu beraten.
So geht’s: Ihr Eintritt in die freiwillige gesetzliche Rentenversicherung
Haben Sie sich für eine freiwillige gesetzliche Rentenversicherung entschieden, können Sie sich über einen Vordruck dort anmelden. Diesen bekommen Sie von dem für Sie zuständigen Träger. Da es 16 eigenständige Träger gibt, ist es trotz der Übersicht der Deutschen Rentenversicherung manchmal nicht leicht zu erkennen, welcher der jeweils richtige ist. Die gute Nachricht: Falls Sie sich vertun, wird Ihr Anliegen an die passende Stelle weitergeleitet.
Für Ihre Einzahlungen können Sie der Deutschen Rentenversicherung eine Einzugsermächtigung erteilen oder die Beiträge monatlich direkt überweisen. Sind Sie pflichtversichert oder haben Sie sich für einen stabilen Beitrag entschieden, empfehlen sich das Lastschriftverfahren oder ein Dauerauftrag. So rutscht keine Zahlung durch. Damit Ihnen die Beiträge zugeordnet werden können, geben Sie auf Ihrer Überweisung unbedingt Folgendes an:
Ihren vollständigen Namen
Ihre Versicherungsnummer
Den Zeitraum, für den der Beitrag gilt
Den Hinweis „freiwilliger Beitrag“
Möchten Sie einen Antrag auf Pflichtversicherung stellen, wenden Sie sich an Ihren Träger, um dies abzustimmen. Für Jahre, in denen Sie als Selbständige*r nicht in die Rentenversicherung eingezahlt haben, können Sie keine nachträglichen Beiträge leisten. Die einzige Ausnahme ist die Zahlung fürs Vorjahr bis Ende März, die freiwillig Versicherten offensteht.