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„Was, so viel kostet das jetzt!?“ – Darum macht die Inflation alles teurer

von Detlev Neumann, 14.09.2023

„Früher war alles billiger!“ Ja, an Omas oder Opas Spruch ist etwas dran. Jedenfalls stimmt er für viele Dinge des täglichen Bedarfs. Dafür gibt es einen Fachbegriff: die Inflation. Sie zeigt, in welchem Ausmaß Preise ansteigen. Aber warum tun sie das? Und wieso wird dein Geld deswegen immer weniger wert? Und weshalb kann das sogar gut sein? Die KlarMacher lüften das Geheimnis der Preissteigerungen. 

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Inflation einfach erklärt

Auf lange Sicht steigen die Preise allgemein an. Mal schneller, mal langsamer, aber stetig. Das zeigt ein regelmäßiger Vergleich. Das übliche Ergebnis: Was vor zwölf Monaten noch für einen Euro zu haben war, das kostet heute mehr. Der Euro ist weniger wert als vorher, weil du weniger dafür bekommst – aufgrund der Inflation, auch Geldentwertung genannt.  

Laut Definition steht die Inflation für den Effekt, dass viele Produkte im Laufe der Zeit teurer werden. Gemessen wird sie monatlich sowie jährlich in Prozent.  

Beispiel: 2022 waren die Preise in Deutschland durchschnittlich um 6,9 Prozent angestiegen. Anders ausgedrückt: Der Wert eines Zehn-Euro-Scheins ist im Laufe des Jahres 2022 für alle Bundesbürger*innen auf fast 9,35 Cent gesunken. 

Das war übers Jahr gesehen die höchste Inflation in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. 

Der statistische Warenkorb

Der statistische Warenkorb

Das Statische Bundesamt ermittelt regelmäßig die Inflationsrate. Wie? Indem sich die Statistiker*innen einen riesigen Einkaufswagen vorstellen, den sogenannten virtuellen Warenkorb. In den kommen etwa 750 Dinge des täglichen Bedarfs. Auf dem Einkaufszettel stehen zum Beispiel Lebensmittel, Mieten, Kühlschränke, Fahrzeuge, Frisiersalonbesuche, Handwerksarbeiten und Versicherungspolicen. Von allen Produkten und Dienstleistungen wird der Durchschnittspreis gesucht und alles zusammengezählt. Die Gesamtsumme wird mit den Vorjahren verglichen. Um wie viel Prozent ist der Warenkorb teurer geworden? Das Ergebnis ist die Inflations- oder auch Teuerungsrate. 

 

Als normal und unbedenklich gilt eine Inflationsrate von bis zu zwei Prozent. Diese Grenze wird sogar als optimal angesehen. Der Grund: In dieser Höhe soll sie ein Puffer gegen die Deflation sein – das Gegenstück zur Inflation. In einer Deflation sinken die Preise. Dann könnten die Verbraucher*innen weniger ausgeben, weil sie auf noch günstigere Preise warten. Die Unternehmen machen dann weniger Gewinn und investieren weniger, Entlassungen drohen, die Wirtschaft käme zum Erliegen.

Dann doch lieber Inflation, entschieden die Wirtschaftslenker*innen. Denn dann würden die Unternehmen weiter investieren, weil sie auf steigende Preise und Gewinne hoffen. Wenn gleichzeitig die Löhne steigen, gehen die Menschen weiter einkaufen, die Wirtschaft bleibt im Schwung.

2022: Warum war die Inflation so hoch?

2022: Warum war die Inflation so hoch?

Seit Mitte 2021 liegt die Inflationsrate deutlich über den angepeilten 2,0 Prozent, im Oktober 2022 betrug sie sogar 10,4 Prozent (immer im Vergleich zum selben Monat im Vorjahr). Dabei trafen mehrere Faktoren zusammen:

  • Die Bundesregierung hatte in der Coronapandemie die Mehrwertsteuer bis Ende 2020 gesenkt, entsprechend sanken die Preise. Mit dem Ende der Maßnahme wurden viele Produkte automatisch wieder teurer – diese Preissteigerung war also ganz natürlich und absehbar. 
  • Durch Corona und Lockdowns fielen weltweit Arbeitskräfte aus. Das hatte Folgen für die Produktion. Viele Waren und Rohstoffe wurden knapp, was die Preise anheizte (siehe das Stichwort „Nachfrageinflation“ im Kapitel „Die wichtigsten Arten der Inflation“. 
  • Besonders teuer wurden Energieprodukte wie Kraftstoff, Heizöl und Erdgas. Hier kam zur Rohstoffknappheit auch noch eine gestiegene CO₂-Abgabe als Preistreiber hinzu. Und da fast alle Unternehmen Energie brauchen und dadurch höhere Kosten hatten, stiegen auch die Preise für fast alle anderen Produkte. 
  • Der Ukraine-Krieg verstärkte ebenfalls die Rohstoffknappheit. Rund die Hälfte des Erdgases, das Deutschland in normalen Zeiten importiert hatte, stammte aus Russland. Beim Rohöl waren es 40 Prozent. Gleich am ersten Tag nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine stieg der Gaspreis in der Bundesrepublik um etwa 30 Prozent.
Ein Arbeiter in Latzhose und mit Handschuhen zählt 500-Euro-Scheine
© istock/Devenorr/2018  Das Wechselspiel zwischen Inflation und Einkommen lässt den Wert des Lohns mal weniger und mal mehr schwanken.

Vergleich von Inflation und Tariflohn

Wenn die Preise regelmäßig immer weiter steigen, müssten wir uns dann nicht immer weniger leisten können? Bei solchen Preissprüngen wie 2022 schon. In Normalzeiten lautet die Antwort aber: nein. Zum einen werden manche Produkte durch neue Produktionsmethoden immer günstiger, zum Beispiel Unterhaltungselektronik. Zum anderen steigen nicht nur die Preise, sondern auch die Löhne. Allerdings nicht im Gleichschritt. Wie sich zwischen 2008 und 2022 Inflation und Tariflohn in Deutschland durchschnittlich entwickelt haben, zeigt die folgende Tabelle.

Vergleich von Inflationsrate und durchschnittlichem Tariflohn in Deutschland

JahrInflationsrateTariflohn
20082,6 Prozent2,9 Prozent
20090,3 Prozent2,6 Prozent
20101,1 Prozent1,8 Prozent
20112,1 Prozent2,0 Prozent
20122,0 Prozent2,7 Prozent
20131,4 Prozent2,7 Prozent
20141,0 Prozent3,1 Prozent
20150,5 Prozent2,7 Prozent
20160,5 Prozent2,4 Prozent
20171,5 Prozent2,4 Prozent
20181,8 Prozent3,0 Prozent
20191,4 Prozent2,9 Prozent
20200,5 Prozent2,0 Prozent
20213,1 Prozent1,7 Prozent
20226,9 Prozent2,0 Prozent

Die wichtigsten Arten der Inflation

Aber was soll dieses Hase-und-Igel-Rennen zwischen Preisen und Einkommen? Könnte man beides nicht einfach einfrieren und fertig? Theoretisch: ja. Praktisch: nein. Das liegt unter anderem an der freien Marktwirtschaft, nach deren Regeln wir hier unser Geld verdienen und ausgeben. Somit gilt in Deutschland das Prinzip von Angebot und Nachfrage – wie in den meisten anderen Ländern auch. Das hat Auswirkungen auf die Preise. „Schuld” daran sind drei Arten von Inflation: die Angebotsinflation, die Nachfrageinflation oder die Geldmengeninflation. Was ist was? Schauen wir es uns an.

Eine stilisierte Euro-Skulptur mit zwölf Sternen vor dem Wolkenkratzer der EZB
© istock/tichr/2014  Die EZB in Frankfurt soll für den Euroraum die Inflation im Griff behalten.

Angebotsinflation

Die Angebotsinflation entsteht, wenn Unternehmen die Preise anheben, weil sie selbst mehr verdienen müssen. Zum Beispiel, weil Rohstoffe wie Öl, Metalle, Holz oder Chemikalien teurer geworden sind. Oder wenn sie ihren Beschäftigten mehr Gehalt zahlen, damit die nicht abwandern. Oder auch einfach nur, weil ihre Aktionäre und Aktionärinnen höhere Gewinne verlangen. Die Kund*innen müssen dann mehr für die Produkte und Dienstleistungen dieser Unternehmen bezahlen. Oder sie bekommen für das gleiche Geld plötzlich weniger. 

Nachfrageinflation

Auch hier spielen die Unternehmen eine entscheidende Rolle. Und zwar dann, wenn sie das obere Ende ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben. Was das heißt? Obwohl sie auf Hochtouren fertigen, können sie nicht so viel herstellen, wie die Kund*innen von ihnen kaufen wollen. Die Nachfrage ist also größer als das Angebot. Aus dieser Knappheit schlagen viele Unternehmen Kapital: Sie erhöhen die Preise für ihre heiß begehrte Ware. Dann müssen die Verbraucher*innen dafür mehr zahlen. Im Umkehrschluss verliert auch in diesem Fall ihr Geld an Wert. Passiert das in großem Stil, nennt man das Nachfrageinflation.

Übrigens: Manchmal sorgen die Unternehmen mit Absicht dafür, dass nicht so viele Waren zur Verfügung stehen, wie sie verkaufen könnten. Denn solche künstlich verknappten Artikel bleiben dann womöglich länger begehrt und erzielen hohe Preise.

Geldmengeninflation

Was soll ein Staat tun, wenn er hohe Schulden hat oder die Wirtschaft schwächelt? Eine Idee liegt dann immer besonders nahe: einfach mehr Geld drucken. Das geht schnell und ist billig. Mit diesem Geld kann man dann die Schulden bezahlen, Kredite für Investitionen aufnehmen oder staatliche Aufträge vergeben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das Ergebnis: Mehr Reichtum für alle.

Das klingt zwar einleuchtend. In der Praxis sieht das allerdings oft anders aus. Weil die Bürger*innen mehr ausgeben können, erhöhen die Unternehmen kurzerhand ihre Preise. Oder: Die Menschen wissen nicht, wohin mit ihrem Geld, weil die angeschlagene Wirtschaft mit der Produktion nicht hinterherkommt. Auch dann können die Preise ansteigen (Nachfrageinflation). In beiden Fällen verliert das Geld an Wert.

Die deutsche Hyperinflation von 1923

Die deutsche Hyperinflation von 1923

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) stand das Deutsche Reich vor der Zahlungsunfähigkeit. Die Hauptgründe: Die militärischen Ausgaben hatten zig Milliarden Reichsmark verschlungen. Außerdem musste Deutschland den Siegern Reparation (Schadenersatz) leisten.

Um trotzdem ihren Verpflichtungen nachzukommen, warf die Regierung die Notenpresse an – und ließ sie laufen und laufen. Die Folge war die größte Geldmengeninflation in der deutschen Geschichte. Preise und Löhne kletterten in groteske Höhen. Beispiel: Im November 1923 kostete ein Brotlaib 5,6 Milliarden Mark! Gegen diese sogenannte Hyperinflation führte das Deutsche Reich im Oktober 1924 eine neue, vor allem von den USA gestützte Rentenmark ein. Damit war die Hyperinflation überstanden. 

Gewinner und Verlierer der Inflation

Von der Inflation profitieren vor allem Schuldner*innen. Denn die Summe, die sie als Kredit aufgenommen haben, bleibt gleich: Stehen 10.000 Euro im Schuldbuch, müssen sie auch nur 10.000 Euro zurückzahlen – egal, was der Euro wert ist. Was das bedeutet, zeigt das Beispiel der deutschen Hyperinflation (siehe obigen Kasten): Wer vorher einen Kredit von 1.000 Reichsmark aufgenommen hatte, konnte ihn währenddessen locker zurückzahlen. Das gilt natürlich nur, wenn auch die Löhne steigen. Wenn der Alltag immer teurer wird, das eigene Einkommen aber gleichbleibt, fällt das Schuldenabbauen umso schwerer. 

Umgekehrt gehören die Gläubiger*innen zu den Verlierer*innen einer Inflation. Bleiben wir beim krassen Beispiel der Hyperinflation: Damalige Forderungen waren im Grunde nur noch so viel wert wie das Papier, auf dem sie standen. Auch die einfachen Bürger*innen hatten stark gelitten. Ihre Ersparnisse lösten sich von einem Tag zum anderen quasi in Luft auf. Denn mit den Summen, die in ihren Sparbüchern standen, konnten sie sich auf dem Höhepunkt der Inflationswelle nicht einmal ein Pfund Butter kaufen. Ebenfalls negativ betroffen waren die Beschäftigten mit einem festen Einkommen, weil ihr Lohn stark an Wert verlor. Denn von einem Lohn bis zum nächsten war die Teuerungsrate oft enorm angestiegen.

Eine Hand schützt zwei Stapel mit Münzen vor dem Dominoeffekt durch andere, fallende Stapel
© istock/AndreyPopov/2018  Mit den richtigen Investitionen kann das eigene Vermögen vor dem fallenden Wert bewahrt werden.

Gibt es einen Schutz vor Inflation?

Eine existenzbedrohende Hyperinflation kommt zwar nur selten vor, doch auch die „normale”, langsame Form nagt nach und nach am Geldwert. Um das wenigstens auszugleichen, müssen Anleger*innen eine Rendite erzielen, die der Inflationsrate entspricht. Das wäre zwischen 2020 und 2021 ein Zinssatz von 3,1 Prozent gewesen, im Jahr 2022 noch viel mehr. Mit dem Sparbuch oder Girokonto ist das in Zeiten der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) jedoch unrealistisch.

Einen möglichen Schutz vor Inflation bieten Sachwerte, zum Beispiel Aktien, Edelmetalle oder Immobilien. Warum? Weil ihr Wert weitgehend unabhängig von der Zins- und Geldwertentwicklung ist. Das zeigt sich unter anderem an den Immobilienpreisen und Mieten in Deutschland. Und da Anleger*innen lange Zeit an Spareinlagen praktisch nichts mehr verdienten, kauften sie vermehrt Wohneigentum. Dieser Nachfrageschub treibt die Preise in die Höhe. Und wer viel für „Betongold“ bezahlt hat, der möchte die Investition durch höhere Mieten wieder hereinholen.

Nachdem die EZB den Leitzins 2022 und 2023 nach und nach erhöhte, gibt es zwar wieder mehr Guthabenzinsen. Doch die Preise für Immobilien sinken trotzdem nicht signifikant, weil sie weiterhin mehr abwerfen als ein Sparbuch oder Tagesgeldkonto

Wie gesagt: Wir reden hier über einen möglichen Schutz vor Inflation. Ob er funktioniert, hängt maßgeblich von der richtigen Auswahl der Aktien, der Immobilien oder anderer Sachwerte ab.

Die Inflation in Deutschland – die Prognosen

Die Inflation in Deutschland wird im Jahr 2023 bei weiterhin vergleichsweise hohen 5,8 Prozent liegen. Diese Prognose stellt das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, kurz Ifo-Institut, an. Für das Jahr 2024 sagt das Ifo-Institut eine Inflation von 2,1 Prozent voraus. Damit wäre die Teuerungsrate etwa auf dem Niveau, das die EZB anstrebt. Allgemein gehen die Erwartungen aber eher in Richtung 3,0 Prozent. Mit einem Wert um die 2,0 Prozent rechnen die meisten Fachleute erst für 2025. 

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