Was ist der Leitzins? Und was hat der mit mir zu tun?
Geht es um Geld, geht es früher oder später auch um Zinsen. Deshalb sind Zinsen in unserem Alltag fast allgegenwärtig: Guthabenzinsen, Kreditzinsen, Nominal- und Effektivzinsen, Dispo und Überziehungszinsen. Die können mal steigen, dann wieder sinken sie. Aber warum eigentlich? Wer bestimmt das? Das macht die Europäische Zentralbank, kurz EZB. Und zwar über den Leitzins. Wie das funktioniert und was das überhaupt soll, haben sich die KlarMacher mal genauer angesehen.
Themen in diesem Artikel
- EZB und Leitzins: Das hat System
- Der Leitzins ist ein Trio
- Darum legt die EZB den Leitzins fest
- Der Leitzins und seine Auswirkungen
- Fassen wir zusammen: Was ist der Leitzins?
Auf den Punkt
- Der Leitzins ist ein Instrument der Geldpolitik.
- In der Eurozone steuert die Europäische Zentralbank damit Inflation und Deflation.
- Der Leitzins wirkt sich auf private Sparzinsen und Kreditzinsen aus.
EZB und Leitzins: Das hat System
Auch Banken sind mal knapp bei Kasse. Zum Beispiel, wenn sie kurzfristig Schulden machen, ihre Kundschaft eine Menge Erspartes abhebt oder sie an einem Tag unerwartet viele Kredite vergeben. Dann brauchen sie selbst Geld. Das bekommen sie bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Vorausgesetzt, sie haben eine Banklizenz sowie ein Konto bei der EZB, worauf die ihnen den gewünschten Betrag überweisen kann.
Die EZB macht das allerdings nicht umsonst. Schließlich vergibt sie damit einen Kredit. Und für den verlangt sie eine Leihgebühr von den Banken. Diese Gebühr ist der Leitzins.
Geld leihen gegen Zinsen? Das System kommt dir bekannt vor? Kann gut sein. Denn ob du dir ein Darlehen bei deiner Bank besorgst oder die sich etwas von der EZB pumpt, ist auf den ersten Blick das Gleiche. Doch gäbe es nicht trotzdem den einen oder anderen Unterschied, würden wir uns hier wohl kaum mit der Frage beschäftigen: Was ist der Leitzins?
Die formelle Kurzfassung der Antwort: Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem Banken bei der Europäischen Zentralbank Geld leihen oder anlegen können.
Das dürfen aber eben nur Institute mit einer Banklizenz. Wer die nicht hat, bekommt von der EZB keinen Cent. Privatleute oder Unternehmen sind damit außen vor. Wollen sie einen Kredit aufnehmen, dann müssen sie zum Beispiel zu ihrer Hausbank gehen. Das soll verhindern, dass sich jede*r Geld bei der EZB leihen kann. Dabei wäre das ziemlich attraktiv, denn der Leitzins ist immer niedriger als ein normaler Kreditzins.
Warum eigentlich? Wer bestimmt die Höhe des Leitzinses? Und wozu ist er überhaupt gut? Das klären wir hier.
Der Leitzins ist ein Trio
Bevor wir uns mit dem Sinn und Zweck des Leitzinses beschäftigten, müssen wir den Begriff näher erläutern. Denn den Leitzins gibt es gar nicht. Vielmehr existieren davon drei Versionen.
- Hauptrefinanzierungssatz: Das ist der Zinssatz, wenn sich Banken mittelfristig Geld bei der EZB leihen – in der Regel für eine bis zwei Wochen. Spricht man allgemein von Leitzins, dann ist damit meistens der Hauptrefinanzierungssatz gemeint.
- Spitzenrefinanzierungssatz: Dieser Zinssatz gilt für kurzfristige Darlehen der EZB, die von einem Geschäftstag bis zum nächsten reichen. Deshalb wird er auch als Übernacht-Kredit bezeichnet. Der Spitzenrefinanzierungssatz ist in der Regel höher als der Hauptrefinanzierungssatz.
- Einlagezinssatz: Den bekommen Banken, wenn sie kein Geld leihen, sondern welches bis zum nächsten Geschäftstag bei der EZB anlegen.
Hauptrefinanzierungssatz, Spitzenrefinanzierungssatz, Einlagezinssatz – das klingt alles ziemlich sperrig. Außerdem sind diese drei Zinssätze nur eine Sache zwischen der EZB und den Banken und Sparkassen. Was also geht das die normalen Sparer*innen an? Eine ganze Menge. Denn sinkt oder erhöht sich einer der Werte, zieht das Kreise. Das bekommen praktisch alle Menschen in der Eurozone früher oder später zu spüren: in ihren Geldbeuteln, bei ihrem Sparvermögen und bei der Kreditaufnahme.
Darum legt die EZB den Leitzins fest
Die Europäische Zentralbank kassiert den Leitzins nicht nur, sondern sie bestimmt auch seine Höhe. Genauer gesagt macht das in letzter Instanz der EZB-Rat. Der setzt sich dafür mehrmals im Jahr zusammen. Die nächsten Termine stehen hier auf der Website der Europäischen Zentralbank. Dort findest du auch immer die aktuelle Höhe des Leitzinses. Bei den besagten Treffen wird der Leitzins verändert oder er bleibt, wie er ist.
Das hochrangige Gremium trägt bei seinen Entscheidungen eine große Verantwortung. Die wird klar, wenn wir uns die geldpolitische Rolle der EZB anschauen. Dazu genügt ein Blick in unseren Ratgeber „Wächterin des Euro: Die Aufgaben der EZB“. Ein wesentlicher Punkt dabei ist die Geldmarktsteuerung. Damit ist gemeint, dass die durchschnittlichen Preise in der Eurozone sich nicht unkontrolliert entwickeln sollen. Erwünscht ist vielmehr eine sogenannte Preisstabilität. Andernfalls könnte es zu einer Inflation oder zu einer Deflation kommen.
Um das zu vermeiden, kann die EZB den Leitzins einsetzen. Mit ihm lässt sich das Auf und Ab der Preise im Zaum halten. Das erklärte Ziel der EZB ist eine leichte Inflation von etwa zwei Prozent in der Eurozone. Warum ausgerechnet zwei Prozent? Weil damit die Preise allgemein und stetig leicht ansteigen. Das aber in einem so geringen Maße, dass die Menschen trotzdem noch kaufen und Unternehmen investieren. Das hält die Wirtschaft am Laufen.
Der Leitzins und seine Auswirkungen
Was passiert genau, wenn die EZB den Leitzins in die eine oder andere Richtung verändert? Und was bedeutet das für die Menschen in der Eurozone? Das schauen wir uns kurz für jede der drei Zinsvarianten an.
Hauptrefinanzierungssatz
Ist der Hauptrefinanzierungssatz gering, kommen die Banken günstiger an Geld der EZB. Weil sie so Geld sparen, können sie ihrerseits Kredite günstiger vergeben. Das macht wiederum Darlehen für die Bankkund*innen erschwinglicher. Die Menschen können sich somit einfacher ihre Wünsche finanzieren.
Aber: Wenn die Banken weniger Zinsen für Kredite bekommen, können sie weniger Zinsen auf Spareinlagen und Co. zahlen. Damit verringert sich der Anreiz, etwas auf die hohe Kante zu legen. Das bedeutet, dass die Konsumfreude zunimmt. Weil damit die Nachfrage größer wird, steigen die Preise an. Und so kommt es zur Inflation.
Bei einem hohen Hauptrefinanzierungssatz ist es umgekehrt: Kredite werden teurer, Angespartes wirft mehr ab. Dann halten die Menschen ihr Geld lieber zusammen, anstatt es auszugeben. In diesem Fall ist von einer straffen Geldpolitik die Rede. Bei ihr wird weniger investiert, dafür mehr gespart. Das schwächt die Wirtschaft und fördert die Deflation.
Warum? Weil die Nachfrage sinkt, wenn niemand etwas kaufen will oder Anschaffungen lieber auf später verschoben werden. Wollen Unternehmen weiterhin etwas verkaufen, müssen sie ihre Waren und Dienstleistungen billiger machen.
Spitzenrefinanzierungssatz
Hier verhält es sich grundsätzlich wie beim Hauptrefinanzierungssatz. Allerdings wirkt sich die Höhe des Spitzenrefinanzierungssatzes nicht so stark auf die Verbraucher*innen aus. Das liegt daran, dass der Spitzenrefinanzierungssatz einen eher kurzfristigen Effekt hat.
Von einem Verpuffen kann allerdings auch nicht die Rede sein. Das zeigt sich beispielsweise beim Tagesgeld. Dessen Zinsen orientieren sich am Spitzenrefinanzierungssatz. Höher als dieser fallen die Zinsen fürs Tagesgeld nicht aus.
Einlagezinssatz
Den bekommen alle Banken, die für einen Tag Geld bei der EZB anlegen. Der Einlagezinssatz hat zwei wichtige Funktionen.
- Haben Banken mal an einem Tag Geld übrig, dann können sie es bei der EZB über Nacht anlegen. So binden sie ihre Liquidität und profitieren zusätzlich vom Einlagezins (auch Einlagefazilität genannt). Jedenfalls, solange er über null liegt. Der Einlagezinssatz ist stets geringer als der Hauptrefinanzierungssatz und markiert zugleich die Untergrenze des aktuellen Tageszinssatzes.
- Banken können überschüssiges Geld nicht nur bei der EZB, sondern für einen Tag auch bei anderen Banken (Interbankenmarkt) anlegen. Das machen sie aber nur, wenn sie dort mehr Zinsen als bei der EZB kriegen.
Für gewöhnlich bekommen die Banken also Geld im Gegenzug für ihre Einlagen bei der EZB. Ihre Kundschaft hat davon allerdings wenig. Zumindest wirkt sich die Höhe der Einlagefazilität im Normalfall nicht sehr stark auf ihre Zinsen aus. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Stichwort Strafzinsen. Die erhoben viele Geldhäuser zwischen 2014 und 2022 für größere Einlagen ihrer Kund*innen.
Der Grund: Die EZB senkte unter dem Eindruck der Finanzkrise den Einlagezinssatz für die Banken bis in den Minusbereich. Das heißt, die Banken mussten plötzlich für ihr geparktes Geld zahlen, anstatt welches zu verdienen. Die Kosten dafür wälzten sie teils als „Verwahrungsentgelt“ auf die Sparer*innen ab. Die spürten somit deutlich, welchen Einfluss die sonst für sie eher unscheinbare Einlagefazilität haben kann.
Video: Geldpolitik und Inflation einfach erklärt
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Fassen wir zusammen: Was ist der Leitzins?
Mit dem Leitzins lenkt die EZB den Geldmarkt in der Eurozone. Mit diesem Instrument kann sie die Balance zwischen Inflation und Deflation steuern. Wichtigstes Werkzeug dabei ist der Hauptrefinanzierungssatz. Er gibt vor, wie viel die Banken für Kredite zahlen müssen, die sie bei der Zentralbank aufnehmen. Die Geldinstitute reichen die Zinsen an ihre Kund*innen weiter. Die bekommen somit mal mehr oder weniger für ihre Einlagen. Oder sie erhalten Kredite mal günstiger oder teurer.
Wesentliches Ziel der EZB ist es, die wirtschaftliche Entwicklung dauerhaft zu fördern. Richtig eingesetzt, sorgt der Leitzins für die erwünschte Preisstabilität. Die ist nach Ansicht der EZB erreicht, wenn eine leichte Inflation von jährlich zwei Prozent besteht. Dann werden Waren und Dienstleistungen zwar immer etwas teurer, aber noch nicht so stark, als dass der Konsum einbricht. Die Menschen kaufen also weiterhin und die Unternehmen verdienen daran.
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