Auf Ihrem Sparbuch hat sich schon ein vierstelliger, vielleicht schon fünfstelliger Betrag angesammelt? Prima. Aber Vorsicht: Die Summe kann trügen. Schließlich ist das Geld mit den Jahren immer weniger wert. Ein Brötchen, das früher 40 Cent gekostet hat, kostet dann vielleicht schon 80 Cent. Oder 1 Euro. Womöglich sogar 2 Euro. Aber wie wäre es mit 20 Millionen? Nein, so viel kann nicht sein, denken Sie? Wahrscheinlich haben Sie recht. Trotzdem ist so etwas möglich. Bei einer Hyperinflation. Die KlarMacher zeigen Ihnen, was dahintersteckt.
Nahrungsmittel, Strom, Kino: Fast alles kostet heute mehr als noch vor wenigen Jahren. Das nennt man Inflation, und die ist ganz normal. Mehr noch: Sie ist sogar gewollt. Denn solche Preissteigerungen halten die Wirtschaft in Schwung. Deshalb soll zum Beispiel die Europäische Zentralbank unter anderem dafür sorgen, dass die Waren pro Jahr im Schnitt um knapp zwei Prozent teurer werden.
Aber so glatt läuft es nicht immer. Manchmal, wenn auch selten, schießen die Preise unkontrolliert in die Höhe. Dann kann aus der Inflation eine Hyperinflation werden. Es gibt zwar keine offizielle Definition, ab wann man Preissteigerungen als Hyperinflation bezeichnet. Aber Wirtschaftsexperten sprechen in der Regel davon, wenn die Preise jeden Monat im Schnitt um 50 Prozent und mehr steigen.
Das würde bedeuten: Für ein Brot, das im Januar noch 4 Euro gekostet hat, müssten Sie im Februar schon mindestens 6 Euro auf den Tisch legen und im März 9 Euro. Nach einem Jahr kostet das Brot dann schon viele Hundert, vielleicht sogar Tausend oder noch mehr Euro.
Wie kommt es zu einer Hyperinflation?
Am Anfang einer Hyperinflation steht in aller Regel ein Staat, der mehr ausgibt, als er einnimmt. Eine lange Zeit kann das gut gehen. Denn der Staat kann die Steuern erhöhen, Schulden bei Banken aufnehmen, Anleihen an die Bürger*innen herausgeben und vieles mehr, um die Ausgaben zu finanzieren. Was aber, wenn etwas Unerwartetes, Dramatisches passiert? Zum Beispiel eine große Wirtschaftskrise, ein Krieg, ein politischer Umsturz? Wenn niemand mehr Steuern zahlen kann, einen Kredit geben oder Anleihen kaufen will? Dann bleibt den Staaten häufig nur eins: Sie drucken mehr Geld beziehungsweise die Notenbank kauft selbst die Staatsanleihen.
Dadurch kommt eine gefährliche Spirale in Gang. Die kann zum Beispiel so ablaufen: Es ist mehr Geld auf dem Markt, die Anzahl der Waren bleibt aber gleich. Entsprechend erhöhen viele Händler*innen die Preise, der Wert des Geldes sinkt. Also wollen immer mehr Bürger*innen für ihr Erspartes lieber etwas kaufen, so lange es noch etwas dafür gibt. Doch das macht es nur noch schlimmer. Die einen erwerben vielleicht Immobilien oder Gold, sogenannte Sachwerte. Die anderen kaufen lieber Fremdwährungen wie US-Dollar.
Egal, was und wie: Wenn immer mehr Menschen dasselbe kaufen wollen, steigen die Preise. Umso mehr Menschen wollen ihr Geld dann lieber anlegen. Ein Teufelskreis, der auch den Staat erfasst. Denn der braucht immer mehr Geld, um seine Ausgaben zu decken. Wenn er dann umso mehr Geld druckt, gibt es keine Grenze mehr. Die Preise steigen in schwindelnde Höhen.
Auch die Deutschen haben schon eine Hyperinflation erlebt: In den Anfangsjahren der Weimarer Republik 1922/23. Die hatte gleich mehrere finanzielle Probleme. Für den Ersten Weltkrieg hatte sich das Kaiserreich enorme Summen bei den Bürger*innen geliehen, die zurückgezahlt werden mussten. Außerdem musste die junge Republik hohen Schadenersatz („Reparationen“) an die Sieger des Krieges zahlen.
Als die Reparationen einmal verspätet ankamen, besetzte Frankreich 1923 das Ruhrgebiet. Die deutsche Regierung rief zum passiven Widerstand auf. Das heißt, die Bevölkerung sollte streiken, nichts mehr produzieren, keine Anordnungen der Besatzer*innen befolgen. Für Deutschland eine doppelte Belastung: Die Steuern aus dem Ruhrgebiet brachen weg, gleichzeitig mussten die Bürger*innen versorgt werden. Die Notenbank lieferte das nötige Geld, und die Inflation setzte an zum Galopp. Auf dem Höhepunkt Ende 1923 kostete ein einziges Ei 320 Milliarden Reichsmark, ein Dollar über vier Billionen. Erst die Einführung einer neuen Währung machte dem Spuk ein Ende.
Inflation und Hyperinflation 1922-1923
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Wer Schulden hat, reibt sich bei einer Hyperinflation zunächst die Hände. Ob man nun mit 1.000, 10.000 oder 100.000 Euro in der Kreide steht: Wenn eine Fahrt mit der Straßenbahn plötzlich 50 Milliarden kostet wie auf dem Höhepunkt der deutschen Inflation von 1922/23 (damals noch Reichsmark), ist die Rückzahlung eines Kredits ein Klacks. Auch ein Staat ist quasi von heute auf morgen von seiner Schuldenlast befreit.
Aber der Preis dafür ist hoch. Denn wo Schuldner*innen sind, sind auch Gläubiger*innen. Und Sparer*innen. Wer nicht rechtzeitig in Sachwerte investiert hat, dessen gesamtes Vermögen ist nichts mehr wert. Auch der Alltag ist dramatisch. Welche Händler*innen nehmen noch Geld an, wenn sie nicht wissen, ob sie nächste Woche noch selbst dafür etwas kaufen können? Bei der deutschen Hyperinflation 1922/23 befürchtete der spätere Reichskanzler Hans Luther, die Menschen könnten verhungern, obwohl die Scheunen voll seien.
Und auch der Staat kann sich nicht lange freuen, dass er seine Schulden los ist. Denn stattdessen bekommt er nun umso größere Probleme, das nötige Geld für seine Aufgaben aufzutreiben. Schließlich sind seine Steuereinnahmen in Nullkommanix nichts mehr wert. Und auch im Ausland findet er kaum Geldgeber*innen – denn womit sollte er das geliehene Kapital zurückzahlen?
Auch die hartnäckigste Hyperinflation geht einmal zu Ende. Nämlich dann, wenn der Staat mit dem Gelddrucken nicht mehr hinterherkommt, während das Geld schon längst seine Funktion als Tauschobjekt verloren hat. Irgendwann fangen die Menschen an, Waren gegen Waren zu tauschen. Oder es macht sich eine „Ersatzwährung“ breit, so wie Zigaretten auf dem Schwarzmarkt nach dem Zweiten Weltkrieg.
In dieser Lage kommt es in aller Regel zu einer Währungsreform. Entweder gibt es dann einen gleichen Anfangsbetrag für jeden Bürger*innen, oder aber die alte Währung kann zu einem hohen Kurs umgetauscht werden.
Ukraine-Krieg: Droht Russland eine Hyperinflation?
Ukraine-Krieg: Droht Russland eine Hyperinflation?
Innerhalb des Euro-Raums ist eine Hyperinflation äußerst unwahrscheinlich (siehe letztes Kapitel). Aber Finanzexpert*innen halten es für möglich, dass in Russland die Preise außer Kontrolle geraten. Grund: der Ukraine-Krieg, den das Riesenreich im März 2022 begonnen hat. Denn durch die Sanktionen des Westens geht Russland das Geld aus. Die Devisen im Ausland sind eingefroren, durch den schwachen Rubel werden Kredite immer teurer. Gleichzeitig steigen für die Verbraucher*innen die Preise, vor allem für Obst und Gemüse, aber auch für einzelne Rohstoffe.
Wenn die russische Regierung die Notenpresse anwirft, um seine Kosten zu decken, wären zwei Bedingungen für eine Hyperinflation erfüllt: Mehr Geld im Umlauf bei weniger Waren. Und eine Bevölkerung, die für ihr Geld möglichst schnell etwas kaufen will, bevor es weniger wert ist. Beides heizt die Preise an. Wie hoch sie klettern, bleibt abzuwarten.
Von A wie Armenien bis Z wie Zimbabwe: Die 10 größten Hyperinflationen
Die beiden Ökonomen Steve Hanke und Nicholas Krus von der Johns Hopkins Universität in Baltimore (USA) haben im Jahr 2012 eine Liste aller Hyperinflationen erstellt. Sie fanden 56 Fälle, in denen die Inflation innerhalb eines Monats 50 Prozent und mehr betrug. Für eine Art „Hitliste“ ermittelten die Forscher unter anderem, wie lange es auf dem Höhepunkt der Krise dauerte, bis sich die Preise verdoppelt hatten. Im krassesten Fall war es nicht einmal ein Tag.
Die erste Hyperinflation, die Hanke und Krus ermitteln konnten, fand schon im Jahr 1795 in Frankreich statt. Die meisten Fälle ereigneten sich aber im 20. Jahrhundert, wie auch die Inflation in der Weimarer Republik 1922/23. Deutschland liegt aber nur auf Platz 5 der 10 schlimmsten Hyperinflationen der Geschichte:
Land
Jahr
Verdopplung der Preise in
Ungarn
1945/46
15 Stunden
Zimbabwe
2007/08
24,7 Stunden
Jugoslawien
1992-94
1,41 Tagen
Srpska (Serbische Republik)
1992-94
1,41 Tagen
Deutschland
1922/23
3,7 Tagen
Griechenland
1941-45
4,27 Tagen
China
1947-49
5,34 Tagen
Freie Stadt Danzig
1922/23
6,52 Tagen
Armenien
1993/94
12,5 Tagen
Turkmenistan
1992/93
12,7 Tagen
Wie groß ist heute die Gefahr einer Hyperinflation?
Die Studie zu den größten Inflationen der Geschichte zeigt: Schuld am Ausbruch einer Hyperinflation sind in aller Regel nicht die Notenbanken. Sondern die Politik, die die Notenbanken drängt, Staatsanleihen zu kaufen, um mehr Geld in Umlauf zu bringen. Bis das außer Kontrolle gerät.
In Deutschland beziehungsweise der EU ist das nicht möglich. Denn die Deutsche Bundesbank sowie die Europäische Zentralbank sind unabhängig. Eine ihrer Aufgaben ist es, den Euro stabil zu halten bei einer Inflation von rund 2 Prozent. Zwar haben die Banken seit der Finanzkrise 2008 von sich aus viele Staatsanleihen gekauft. Auch sind viele Staaten hoch verschuldet. Trotzdem blieb die Inflation lange Zeit eher zu niedrig als zu hoch: Das Ziel von 2 Prozent wurde regelmäßig verfehlt.
Hinzu kommt: Die Preise steigen immer dann, wenn es viele Käufer*innen gibt, aber wenige Waren. Das war in Europa bis zum Ausbruch der Coronakrise nicht der Fall. In vielen Ländern herrschte hohe Arbeitslosigkeit, vor allem unter Jugendlichen. Die Lagerhallen und Regale aber waren voll. Viele Händler*innen gaben eher Rabatte, um ihre Waren loszuwerden, als dass sie die Preise erhöhen. Erst als durch Corona die Lieferketten nicht mehr reibungslos funktionierten und einzelne Waren und Rohstoffe knapp wurden, stieg die Inflation an. Wobei die Preise teilweise zwar um bis zu 10 Prozent kletterten – aber das im Vergleich zum Vorjahr und nicht innerhalb eines Monats oder gar Tagen. Und das ist von einer Hyperinflation immer noch meilenweit entfernt.