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Hyperinflation: Wenn die Preise steil bergauf gehen

von Thorsten Schierhorn, 01.11.2023

Auf deinem Sparbuch hat sich schon ein vierstelliger, vielleicht schon fünfstelliger Betrag angesammelt? Prima. Aber Vorsicht: Die Summe kann trügen. Schließlich ist das Geld mit den Jahren immer weniger wert. Ein Brötchen, das früher 40 Cent gekostet hat, kostet dann vielleicht schon 80 Cent. Oder 1 Euro. Womöglich sogar 2 Euro. Aber wie wäre es mit 20 Millionen? Nein, so viel kann nicht sein, denkst du? Trotzdem ist so etwas möglich. Bei einer Hyperinflation. Die KlarMacher zeigen dir, was dahintersteckt. 

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Was ist eine Hyperinflation?

Nahrungsmittel, Strom, Kino: Fast alles kostet heute mehr als noch vor wenigen Jahren. Das nennt man Inflation, und eigentlich ist das ganz normal. Mehr noch: Ein gewisses Maß an Inflation. Denn Preissteigerungen halten die Wirtschaft in Schwung. Deshalb soll zum Beispiel die Europäische Zentralbank unter anderem dafür sorgen, dass die Waren pro Jahr im Schnitt um knapp zwei Prozent teurer werden.

Aber so glatt läuft es nicht immer. Im Jahr 2022 lag die Inflationsrate in Deutschland bei deutlich höheren 7,9 Prozent. Das hat den Verbraucher*innen schon schwer zu schaffen gemacht. Aber es kann noch schlimmer kommen: Manchmal, wenn auch selten, schießen die Preise unkontrolliert in die Höhe. Dann kann aus der Inflation eine Hyperinflation werden. Es gibt zwar keine offizielle Definition, ab wann man Preissteigerungen als Hyperinflation bezeichnet. Aber Wirtschaftsexperten sprechen in der Regel davon, wenn die Preise jeden Monat im Schnitt um 50 Prozent und mehr steigen.

Das würde bedeuten: Für ein Brot, das im Januar noch vier Euro gekostet hat, müsstest du im Februar schon mindestens sechs Euro auf den Tisch legen und im März neun Euro. Nach einem Jahr kostet das Brot dann schon viele Hundert, vielleicht sogar Tausend oder noch mehr Euro.

Wie kommt es zu einer Hyperinflation?

Am Anfang einer Hyperinflation steht in aller Regel ein Staat, der mehr ausgibt, als er einnimmt. Eine lange Zeit kann das gut gehen. Denn der Staat kann die Steuern erhöhen, Schulden bei Banken aufnehmen, Anleihen an die Bürger*innen herausgeben und vieles mehr, um die Ausgaben zu finanzieren. Was aber, wenn etwas Unerwartetes, Dramatisches passiert? Zum Beispiel eine große Wirtschaftskrise, ein Krieg, ein politischer Umsturz? Wenn niemand mehr Steuern zahlen kann, einen Kredit geben oder Anleihen kaufen will? Dann bleibt den Staaten häufig nur eins: Sie drucken mehr Geld beziehungsweise die Notenbank kauft selbst (zu) viele Staatsanleihen.

Dadurch kommt eine gefährliche Spirale in Gang. Die kann zum Beispiel so ablaufen: Es ist mehr Geld auf dem Markt, die Anzahl der Waren bleibt aber gleich. Entsprechend erhöhen viele Händler*innen die Preise, der Wert des Geldes sinkt. Also wollen immer mehr Bürger*innen für ihr Erspartes lieber etwas kaufen, solange es noch etwas dafür gibt. Doch das macht es nur noch schlimmer. Die einen erwerben vielleicht Immobilien oder Gold, sogenannte Sachwerte. Die anderen kaufen lieber Fremdwährungen wie US-Dollar.

Das bedeutet auch, dass das Vertrauen in die Währung des Landes sinkt – bei den Bürger*innen und bei potentiellen Kreditgeber*innen und Investor*innen aus dem Ausland. 

Egal, welche Ursache die Inflation genau hatte: Wenn immer mehr Menschen dasselbe kaufen wollen, steigen die Preise. Umso mehr Menschen wollen ihr Geld dann lieber anlegen. Ein Teufelskreis, der auch den Staat erfasst. Denn er braucht immer mehr Geld, um seine Ausgaben zu decken. Wenn er dann umso mehr Geld druckt, gibt es keine Grenze mehr. Die Preise steigen in schwindelerregende Höhen.

Deutsche Banknoten von 1922/23, im Mittelpunkt ein Zwei-Millionen-Mark-Schein
© istock/reidecki/2016  Zwei Millionen Mark auf einer Banknote? In der deutschen Hyperinflation von 1922/23 war man damit trotzdem alles andere als reich.

Als die Preise in Deutschland explodierten

Auch die Deutschen haben schon eine Hyperinflation erlebt: In den Anfangsjahren der Weimarer Republik 1922/23. Der neue Staat hatte gleich mehrere finanzielle Probleme. Für den Ersten Weltkrieg hatte sich das Kaiserreich enorme Summen bei den Bürger*innen geliehen, die zurückgezahlt werden mussten. Außerdem musste die junge Republik hohen Schadenersatz („Reparationen“) an die Sieger des Krieges zahlen.

Als die Reparationen einmal verspätet ankamen, besetzte Frankreich 1923 das Ruhrgebiet. Die deutsche Regierung rief zum passiven Widerstand auf. Das heißt, die Bevölkerung sollte streiken, nichts mehr produzieren, keine Anordnungen der Besatzer*innen befolgen. Für Deutschland eine doppelte Belastung: Die Steuern aus dem Ruhrgebiet brachen weg, gleichzeitig mussten die Bürger*innen versorgt werden. Die Notenbank lieferte das nötige Geld, und die Inflation setzte an zum Galopp. Auf dem Höhepunkt Ende 1923 kostete ein einziges Ei 320 Milliarden Mark, ein Dollar über vier Billionen Mark. 

Wie endete diese Inflation? Die Weimarer Republik führte eine neue Währung ein, die sogenannte Rentenmark. Bürger*innen konnten eine Rentenmark zum festen Wechselkurs von einer Billion Mark bekommen. Die Rentenmark wurde sofort von der Bevölkerung angenommen. Das Vertrauen in die Währung war wieder hergestellt. 

Von der Rentenmark druckte die Rentenbank außerdem nicht so viele Scheine, was den Kurs zusätzlich stabil hielt. So gelang es tatsächlich, auch die Wirtschaft zu stabilisieren. Ab dem Jahr 1924 wurde die Übergangslösung Rentenmark nach und nach von einer weiteren neuen Währung abgelöst: der Reichsmark.  

Inflation und Hyperinflation 1922-1923

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Was bedeutet eine Hyperinflation für Schulden und Vermögen?

Wer Schulden hat, reibt sich bei einer Hyperinflation zunächst die Hände. Ob man nun mit 1.000, 10.000 oder 100.000 Euro in der Kreide steht: Wenn eine Fahrt mit der Straßenbahn plötzlich 50 Milliarden kostet wie auf dem Höhepunkt der deutschen Inflation von 1922/23 (damals noch in Mark), ist die Rückzahlung eines Kredits ein Klacks. Auch ein Staat ist quasi von heute auf morgen von seiner Schuldenlast befreit.

Aber der Preis dafür ist hoch. Denn wo Schuldner*innen sind, sind auch Gläubiger*innen. Und Sparer*innen. Wer nicht rechtzeitig in Sachwerte investiert hat, dessen gesamtes Vermögen ist nichts mehr wert. Auch der Alltag ist dramatisch. Welche Händler*innen nehmen noch Geld an, wenn sie nicht wissen, ob sie nächste Woche noch selbst dafür etwas kaufen können? Bei der deutschen Hyperinflation 1922/23 befürchtete der spätere Reichskanzler Hans Luther, die Menschen könnten verhungern, obwohl die Scheunen voll seien.

Und auch der Staat kann sich nicht lange freuen, dass er seine Schulden los ist. Denn stattdessen bekommt er nun umso größere Probleme, das nötige Geld für seine Aufgaben aufzutreiben. Schließlich sind seine Steuereinnahmen in Nullkommanix nichts mehr wert. Und auch im Ausland findet er kaum Geldgeber*innen, bei denen er in der Inflation einen neuen Kredit aufnehmen könnte – denn womit sollte er das geliehene Kapital zurückzahlen? 

Eine Mutter mit Kind blickt besorgt auf ein paar Unterlagen
© istock/MartinPrescott/2016  Für Sparer*innen ist eine Hyperinflation eine Katastrophe: Das angelegte Geld ist nichts mehr wert.

Wann und wie endet eine Hyperinflation?

Auch die hartnäckigste Hyperinflation geht einmal zu Ende. Nämlich dann, wenn der Staat mit dem Gelddrucken nicht mehr hinterherkommt, während das Geld schon längst seine Funktion als Tauschobjekt verloren hat. Irgendwann fangen die Menschen an, Waren gegen Waren zu tauschen. Oder es macht sich eine „Ersatzwährung“ breit, so wie Zigaretten auf dem Schwarzmarkt nach dem Zweiten Weltkrieg.

In dieser Lage kommt es in aller Regel zu einer Währungsreform, wie es auch bei der Inflation in der Weimarer Republik 1923 der Fall war (siehe oben).. Entweder gibt es dann einen gleichen Anfangsbetrag für jeden Bürger*innen, oder aber die alte Währung kann zu einem hohen Kurs umgetauscht werden.

Von A wie Armenien bis Z wie Zimbabwe: Die 10 größten Hyperinflationen

Die beiden Ökonomen Steve Hanke und Nicholas Krus von der Johns Hopkins Universität in Baltimore (USA) haben im Jahr 2012 eine Liste aller Hyperinflationen erstellt. Sie fanden 56 Fälle, in denen die Inflation innerhalb eines Monats 50 Prozent und mehr betrug. Für eine Art „Hitliste“ ermittelten die Forscher unter anderem, wie lange es auf dem Höhepunkt der Krise dauerte, bis sich die Preise verdoppelt hatten. Im krassesten Fall war es nicht einmal ein Tag.

Die erste Hyperinflation, die Hanke und Krus ermitteln konnten, fand schon im Jahr 1795 in Frankreich statt. Die meisten Fälle ereigneten sich aber im 20. Jahrhundert, wie auch die Inflation in der Weimarer Republik 1922/23. Deutschland liegt aber nur auf Platz 5 der 10 schlimmsten Hyperinflationen der Geschichte (bis 2012):

LandJahrVerdopplung der Preise in
Ungarn                                              1945/46                                              15 Stunden
Zimbabwe2007/0824,7 Stunden
Jugoslawien1992-941,41 Tagen
Srpska (Serbische Republik)1992-941,41 Tagen
Deutschland1922/233,7 Tagen
Griechenland1941-454,27 Tagen
China1947-495,34 Tagen
Freie Stadt Danzig1922/236,52 Tagen
Armenien1993/9412,5 Tagen
Turkmenistan1992/9312,7 Tagen

Wie groß ist heute die Gefahr einer Hyperinflation?

Die Studie zu den größten Inflationen der Geschichte zeigt: Schuld am Ausbruch einer Hyperinflation sind in aller Regel nicht die Notenbanken. Ursächlich ist die Politik, die die Notenbanken drängt, mehr Staatsanleihen zu kaufen oder mehr Scheine zu drucken, um mehr Geld in Umlauf zu bringen. Bis das außer Kontrolle gerät.

In Deutschland beziehungsweise der EU ist das nicht möglich. Denn die Deutsche Bundesbank sowie die Europäische Zentralbank sind unabhängig.So überwacht die EZB zum Beispiel die Ausgabe neuer Euro-Scheine für die ganze Euro-Zone. Einzelne Staaten könnten also nicht einfach so Unmengen an Scheinen drucken. Eine der Aufgaben der EZB ist es außerdem, den Euro stabil zu halten bei einer Inflation von rund zwei Prozent. Zwar hat die EZB seit der Finanzkrise 2008 von sich aus viele Staatsanleihen gekauft. Auch sind viele Staaten hoch verschuldet. Trotzdem blieb die Inflation lange Zeit eher zu niedrig als zu hoch: Das Ziel von zwei Prozent wurde regelmäßig verfehlt. 

Hinzu kommt: Die Preise steigen immer dann, wenn es viele Käufer*innen gibt, aber wenige Waren. Das war in Europa bis zum Ausbruch der Coronakrise nicht der Fall. In vielen Ländern herrschte hohe Arbeitslosigkeit, vor allem unter Jugendlichen. Die Lagerhallen und Regale aber waren voll. Viele Händler*innen gaben eher Rabatte, um ihre Waren loszuwerden, als dass sie die Preise erhöhen.

Erst als durch Corona die Lieferketten nicht mehr reibungslos funktionierten und einzelne Waren und Rohstoffe knapp wurden, stieg die Inflation an. Wobei die Preise im Jahr 2022 teilweise zwar um bis zu zehn Prozent kletterten – aber das im Vergleich zum Vorjahr und nicht innerhalb eines Monats oder gar Tagen. Und das ist von einer Hyperinflation meilenweit entfernt.

Außerdem: Die Preise für Strom und Heizung bleiben zwar auch im Jahr 2023 hoch, aber die Inflationsrate ist im Laufe dieses Jahres nicht weiter angestiegen. Die Prognose vieler Expert*innen besagt, dass die Inflation im Jahr 2024 zurückgehen wird. Eine Hyperinflation müssen wir in Deutschland also nicht befürchten. 

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