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Selbstständig oder freiberuflich: Was ist der Unterschied?

von Dagmar Sörensen, 08.07.2024

Sein eigener Chef oder seine eigene Chefin sein – das hat schon was! Träumst du auch davon? Aber wenn du den Schritt wagst – machst du dich dann selbstständig oder arbeitest du freiberuflich? Das kann einen Unterschied machen, vor allem bei den Steuern. Allerdings hast du in den meisten Fällen keine Wahl! Die Entscheidung triffst nämlich nicht du. Wer in dieser Sache das Sagen hat, was denn nun was ist und welche Kriterien dabei eine Rolle spielen, erfährst du hier.

Themen in diesem Artikel

Auf den Punkt

  • Freiberufler*innen sind eine Untergruppe der Selbstständigen.
  • Wer freiberuflich tätig ist, entscheidet das Finanzamt.
  • Freiberufler*innen haben gegenüber Gewerbetreibenden einige Vorteile.

Freiberuflich versus selbstständig ...

… die Frage stellt sich eigentlich gar nicht. Denn tatsächlich ist jede*r Freiberufler*in auch selbstständig. Warum? Ganz einfach: Genauso wie Selbstständige sind Freiberufler*innen nicht angestellt. Stattdessen sind sie ihr eigener Chef beziehungsweise ihre eigene Chefin. Sie wirtschaften auf eigene Rechnung und eigene Gefahr, müssen sich um ihre soziale Absicherung kümmern, haben aber auch die volle Entscheidungsgewalt.

Umgekehrt gilt das aber nicht, sprich: Nicht jede*r Selbstständige ist auch freiberuflich tätig. Tatsächlich zählen Freiberufliche lediglich zu einer eher kleinen Untergruppe der Selbstständigen. Denn es sind nur wenige, bestimmte Berufsgruppen, die freiberuflich arbeiten dürfen. Und die Entscheidung, was freiberuflich ist und was nicht, die triffst nicht du – sondern das Finanzamt.

Die andere – größere – Untergruppe der Selbstständigen machen die Gewerbetreibenden aus. Deshalb ist die richtige Frage nicht „freiberuflich oder selbstständig“, sondern vielmehr „freiberuflich oder gewerbetreibend?“. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen sind durchaus nennenswert.  

Architekt baut ein Modell eines Hauses
© istock/jacoblund/2017  Selbstständige Architekt*innen gehören den Katalogberufen an und sind daher Freiberufler*innen.

Finanzamt entscheidet über Freiberuflichkeit

An freie Berufe stellt der Gesetzgeber bestimmte Anforderungen: Sie müssen schriftstellerischer, künstlerischer, heilender, erziehender oder wissenschaftlicher Natur sein. Weiterhin verlangt das Gesetz als Voraussetzung für die Ausübung eines freien Berufes eine spezielle berufliche Qualifikation oder eine besondere künstlerische Fertigkeit.

Ob eine konkrete Tätigkeit nun freiberuflich ist oder nicht, entscheidet in letzter Instanz das Finanzamt. Manchmal ist die Einordnung einfach, manchmal nicht. Es gibt drei Gruppen von freien Berufen.

Katalogberufe

Im Paragraf 18 des Einkommensteuergesetzes findet sich eine Auflistung von anerkannten freien Berufen. Hier ist die Zuordnung also am einfachsten. Diese sogenannten Katalogberufe für Freiberufler*innen lassen sich grob in vier Gruppen einteilen: 

  • Heilberufe wie Ärzt*innen, Heilpraktiker*innen, Geburtshelfer’*innen und Physiotherapeut*innen 
  • Beratende Berufe in Recht und Wirtschaft wie Anwält*innen, Notar*innen, Wirtschaftsprüfer*innen und Steuerberater*innen 
  • Technisch-wissenschaftliche Berufe wie Architekt*innen und Ingenieur*innen 
  • kulturelle, Medien- und Sprachberufe wie Journalist*innen, Bildberichterstatter*innen, Dolmetscher*innen oder Künstler*innen

Tätigkeitsberufe

Diese Berufe sind nicht unter den Katalogberufen zu finden. Jedoch können sie als freiberuflich gelten, wenn sie selbstständig ausgeübt werden und aus den eingangs erwähnten Bereichen stammen. In der Praxis sind das Tätigkeiten wie diese:

  • Wissenschaftliche Tätigkeit, zum Beispiel wenn man Gutachten erstellt
  • Künstlerische Tätigkeit, wenn eine eigene schöpferische Leistung erkennbar ist
  • Schriftstellerische Tätigkeit mit selbstverfassten Texten, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind (auch Werbetexte oder Übersetzungen)
  • Unterrichtende Tätigkeiten mit besonderen Fähigkeiten oder Kenntnissen, zum Beispiel als Reitlehrer*in oder Fahrlehrer*in

Wie und wo melde ich eine Freiberuflichkeit an?

Im Unterschied zur Anmeldung eines Gewerbes ist die Anmeldung einer freiberuflichen Selbstständigkeit sehr einfach. Wenn du belegen kannst, dass du Angehörige*r eines freien Berufes bist, genügt schon ein formloses Schreiben an das zuständige Finanzamt mit der Bitte um die Vergabe einer Steuernummer.

Daraufhin erhältst du einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung. Sobald du den ausgefüllt zurückgeschickt hast, ist deine Freiberuflichkeit offiziell.

Wichtig: Diese Anmeldung musst du innerhalb von vier Wochen machen, nachdem du deine freiberufliche Tätigkeit begonnen hast. 

Ähnliche Berufe

Immer wieder entstehen neue Berufe, die man früher gar nicht kannte, EDV-Berater*in zum Beispiel oder Web-Designer*in. Das Gesetz hilft sich damit, dass es ausdrücklich auch „ähnliche Berufe” zulässt. Aber wann ist eine Tätigkeit nun freiberuflich oder nicht? Das Finanzamt legt bei der Beurteilung im Wesentlichen drei Kriterien zugrunde: 

  • Freie Berufe finden sich in erster Linie im Dienstleistungssektor. Handelsgeschäfte oder Massenproduktion schließen daher eine freiberufliche Tätigkeit aus.
  • Ein freier Beruf erfordert bestimmte Qualifikationen; das kann entweder ein Hochschulabschluss oder eine kreative Fähigkeit sein.
  • Bei freien Berufen spielen die persönlichen Arbeitseinsätze die entscheidende Rolle. Die ausführende Person muss auch die sein, die die fachliche Verantwortung für alle Aufträge trägt.  

Alle Berufe, die nicht als Katalogberuf gelistet sind und auch diese drei Kriterien nicht erfüllen, sind demnach gewerbliche Berufe. 

Freiberuflicher Gitarrenlehrer unterrichtet einen Jungen
© istock/South_agency/2018  Der Katalogberuf Lehrer*in umfasst auch selbstständige Musiklehrer*innen.

Vorteile für Freiberufler*innen

Wer vom Finanzamt als freiberuflich eingestuft wird, hat gegenüber den gewerbetreibenden Selbstständigen einige Vorteile. Freiberufler*innen ...

  • müssen keinen Gewerbeschein beantragen, sondern nur ihre Tätigkeit beim Finanzamt anmelden.
  • zahlen keine Gewerbesteuer.
  • müssen kein Mitglied in der Industrie- und Handelskammer (IHK) oder Handwerkskammer werden, können das aber freiwillig tun.
  • unterliegen weder der Gewerbeaufsicht noch dem Handelsrecht.
  • sind nicht zur doppelten Buchführung verpflichtet und müssen keine Bilanzen erstellen, sondern lediglich eine einfache sogenannte Einnahme-Überschuss-Rechnung beim Finanzamt einreichen.

Wichtig: Es gibt freiberufliche Tätigkeiten, bei denen du dich in einer berufsständischen Kammer anmelden musst. Manchmal ist die Rede von Standeskammern. Zu den kammerpflichtigen freien Berufen gehören Ärzt*in, Notar*in, Anwält*in, Architekt*in und ein paar mehr. 

Trenne freiberufliche und gewerbetreibende Tätigkeiten

Vielleicht ist dein Geschäftsmodell eine Mischung aus freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit? Oder du betreibst eine der beiden Tätigkeiten nur nebenberuflich (dazu unten mehr)? Das ist grundsätzlich auch kein Problem. Achte aber unbedingt darauf, die beiden Tätigkeiten organisatorisch klar voneinander zu trennen! Denn sonst besteht die Gefahr, dass das Finanzamt dich insgesamt als Gewerbetreibende*n beurteilt und du deine Vorteile als Freiberufler*in für den freiberuflichen Anteil verlierst.

Beispiele: Eine zahnärztliche Fachkraft vertreibt nebenher Zahnpflegeprodukte; ein*e freiberufliche Geburtshelfer*in verkauft Baby-Tragetücher. Beide Berufsbestandteile lassen sich klar trennen und werden unterschiedlich behandelt: der eine Teil mit allen Vorteilen der Freiberuflichkeit, der andere Teil als Gewerbetreibende*r.

Kläre solche Fragen am besten frühzeitig direkt mit dem Finanzamt. Denn erkennt dir das Finanzamt nachträglich – zum Beispiel nach einer Betriebsprüfung – die Freiberuflichkeit ab, musst du die Gewerbesteuer der vergangenen Jahre rückwirkend nachzahlen.

Junge Illustratorin arbeitet an einem neuen Auftrag
© istock/Georgii Boronin/2020  Freischaffende Künstler*innen müssen sich über die Künstlersozialkasse versichern.

Krankenversicherung und Rentenversicherung für Selbstständige

Alle Selbstständigen sind generell krankenversicherungspflichtig. Allerdings genießen sie – egal ob gewerblich oder freiberuflich tätig – vollständige Wahlfreiheit und entscheiden selbst, ob sie sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichern oder lieber in eine private Krankenkasse wechseln.

Die Vor- und Nachteile der beiden Optionen und vieles mehr findest du im Ratgeber „Krankenversicherung für Selbstständige: Das solltest du wissen”.

Und wie sieht es bei der Rentenversicherung aus? Manche Selbstständige sind tatsächlich genau wie Angestellte verpflichtet, in die Deutsche Rentenversicherung einzuzahlen, zum Beispiel Handwerker*innen und Lehrer*innen. Was das genau für die Rentenbeiträge bedeutet und was mit den nicht versicherungspflichtigen Freiberufler*innen ist, erfährst du im Ratgeber „Mal Pflicht, mal Kür: Gesetzliche Rentenversicherung für Selbstständige“. 

Eine Besonderheit gibt es für Freiberufler*innen, die als freischaffende Künstler*innen oder Publizist*innen tätig sind. Sie sind gesetzlich dazu verpflichtet, sich bei der Künstlersozialkasse (KSK) zu versichern. Damit sind sie in das gesetzliche Versicherungssystem eingebunden und Mitglied der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Die Höhe der monatlichen Zahlungen richtet sich nach dem zu erwartenden monatlichen Einkommen, wobei die Freiberufler*innen nur die Hälfte der Sozialabgaben zahlen. Die andere Hälfte übernimmt der Bund.

Übrigens: Wenn du aus der Selbstständigkeit zurück in ein Angestelltenverhältnis gehst und noch keine 55 Jahre alt bist, gilt für dich wieder die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenkasse und Rentenversicherung. 

Video: Steuerlicher Unterschied: Freiberuflich oder selbständig?

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© sevdesk 

Unterschiede bei den Steuern für Selbstständige und Freiberufler*innen

Auch in Sachen Steuern gibt es Unterschiede zwischen Gewerbetreibenden und Freiberufler*innen – und Gemeinsamkeiten. 

Gewerbesteuer 

Wer selbstständig ein Gewerbe betreibt, muss auf die Einkünfte Gewerbesteuer zahlen. Diese Steuer geht direkt an die Gemeinde, die auch die Höhe dieser Steuer bestimmt. Die Höher der Gewerbesteuer hängt also von deinem Wohn- und Arbeitsort ab. Wie bereits erwähnt, sind Freiberufler*innen nicht gewerbetreibend und zahlen deswegen im Unterschied zu anderen Selbstständigen auch keine Gewerbesteuer. 

Einkommenssteuer 

Beide Gruppen müssen ihr Einkommen versteuern, sobald ihre Einnahmen dem Grundfreibetrag von 11.604 Euro liegen (Stand: 2024). Selbstständige sind auch immer dazu verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben

Umsatzsteuer und Kleinunternehmerregelung 

Sowohl Freiberufler*innen als auch Gewerbetreibende sind in der Regel umsatzsteuerpflichtig – sie müssen also auf ihre Waren und Dienstleistungen die Umsatzsteuer (auch: Mehrwertsteuer) obendrauf schlagen und diese dann an das Finanzamt abführen.  

Das klingt bürokratisch? Ist es leider auch. Deswegen gibt es für Selbstständige die Möglichkeit, die sogenannte Kleinunternehmerregelung nach Paragraf 19 UStG zu nutzen. Als Kleinunternehmer*in darf gelten, wer im vergangenen Jahr höchstens 22.000 Euro Umsatz gemacht hat und im aktuellen Jahr nicht über 50.000 Euro Umsatz hinausgeht. (Stand: 2024)  

Der größte Vorteil: Du ersparst dir bürokratische Umsatzsteuervoranmeldungen, was gerade am Anfang einer selbstständigen Tätigkeit eine große Erleichterung sein kann. Allerdings kannst du dann auch keinen Vorsteuerabzug nutzen. Vorsteuerabzug bedeutet, dass du die Umsatzsteuer, die du selbst zahlst (zum Beispiel für die Anschaffung von Equipment) mit der Umsatzsteuer, die du einnimmst, verrechnen darfst.  

Darüber hinaus gibt es manche Freie Berufe, die nach Paragraf 4 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind, egal, wie viel Umsatz sie machen, zum Beispiel Ärzt*innen. 

Was sind Freelancer*innen?

Neben Selbstständigen und Freiberufler*innen gibt es auch immer häufiger den englischen Begriff der Freelancer*innen im deutschen Sprachraum. Damit sind selbstständige, freie Mitarbeiter*innen gemeint, die Unternehmen bei bestimmten Projekten unterstützen, aber nicht bei diesem Unternehmen angestellt sind. Freelancer*innen können freiberuflich tätig sein, zum Beispiel Grafikdesigner*innen, das muss aber nicht der Fall sein. Wie bei jeder Selbstständigkeit kannst du hauptberuflich oder nebenberuflich freelancen.  

Nebenberuflich selbstständig oder freiberuflich?

Du bist am Überlegen, ob du dich selbstständig machen solltest, aber gleich deinen aktuellen Job zu kündigen, das ist vielleicht doch zu riskant? Oder du bist schon selbstständig und hast ein attraktives Jobangebot bekommen? Dann kannst du mit deiner selbstständigen oder freiberuflichen Tätigkeit nebenberuflich anfangen beziehungsweise weitermachen. Dabei solltest du aber folgende Punkte beachten: 

  • Arbeitszeit: Du darfst in deiner Nebentätigkeit nicht mehr Stunden pro Woche arbeiten als in deinem Hauptjob.  
  • Krankenversicherung: Du bist über deinen Hauptjob krankenversichert und musst für deine Nebentätigkeit keine Extra-Beiträge bezahlen – außer, dein Einkommen aus der Selbstständigkeit ist höher als das, was du in deinem Angestelltenjob verdienst. Dann werden in der Regel Nachzahlungen fällig.  
  • Rentenversicherung: Auch hier bist du über deinen Hauptjob versichert. Falls deine Freiberuflichkeit zu den versicherungspflichtigen gehört, zum Beispiel als Lehrer*in, können für deine freiberuflichen Verdienste zusätzliche Beiträge anfallen, wenn deine Einkünfte über 538 Euro im Monat liegen (das ist die Minijob-Grenze).  
  • Einkommenssteuer: Auf dein Einkommen als Freiberufler*in oder Gewerbetreibende*r zahlst du auch nebenberuflich Steuern, sofern deine Einkünfte insgesamt – also inklusive deines Lohns aus dem Hauptjob – über dem Grundfreibetrag von 11.604 Euro liegen. (Stand: 2024)  
  • Arbeitgeber*in informieren: Dein*e Chef*in kann dir zwar die Nebentätigkeit nicht untersagen, allerdings darfst du mit deiner Selbstständigkeit deine Haupttätigkeit nicht vernachlässigen, keine Mittel des Unternehmens verwenden und ihm keine Konkurrenz machen. 

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