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Der Chef zahlt Ihr Gehalt nicht? So können Sie sich wehren

von Thorsten Schierhorn, 18.11.2022

Vermieter, Stromversorger, Fitnessstudio: Zum Monatsanfang halten viele die Hand auf. Da kann es sehr unangenehm werden, wenn das Gehalt nicht pünktlich kommt und das Konto nicht gedeckt ist. Doch was können Sie als Arbeitnehmer tun, wenn der Chef den Lohn nicht oder nicht rechtzeitig auszahlt?

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Wann muss das Gehalt auf dem Konto sein?

Bevor Sie bei Ihrem Chef oder im Personalbüro Druck machen, werfen Sie erst einen Blick in Ihren Tarif- oder Arbeitsvertrag. Hier steht in der Regel, bis wann das Gehalt auf Ihrem Konto sein muss. Üblich sind der letzte Tag des Arbeitsmonats oder der erste Tag des nächsten Monats. Manche Arbeitgeber haben sich auch einen deutlich größeren Puffer geschaffen und einen späteren Zeitpunkt festgelegt.

Falls in Ihrem Vertrag kein genaues Datum vereinbart ist, gilt die gesetzliche Regelung. Dort ist vorgeschrieben, dass die Vergütung „nach Leistung der Dienste zu entrichten ist“, das Gehalt also im Anschluss an die geleistete Arbeit gezahlt werden soll. Dies ist grundsätzlich der erste Tag des folgenden Monats. Abweichungen lässt der Gesetzgeber zu, wenn es dafür gute Gründe gibt, beispielsweise die Lohnbuchhaltung Zeit zur Berechnung braucht.

Beliebig lange dürfen sich Arbeitgeber aber nicht Zeit lassen. So hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 2017 eine Gehaltszahlung zum 20. des Folgemonats für unzumutbar erklärt. Nach diesem Urteil dürfen sich Arbeitgeber höchstens bis zum 15. des nächsten Monats Zeit nehmen. In diesem Fall sollten sie aber zumindest einen Teil des Gehaltes vorab auszahlen.

Mann und Frau sitzen sich in Geschäftssesseln gegenüber
© istock/TommL/2018  Wenn Ihr Gehalt nicht pünktlich kommt, ist Ihr Chef oder Ihre Chefin Ihnen eine Erklärung schuldig.

Erster Schritt: Das Gespräch mit dem Chef

Ist Ihr Chef tatsächlich mit der Gehaltszahlung in Verzug, ist dies natürlich sehr ärgerlich. Um Ihre Arbeitsbeziehung nicht unnötig zu belasten, sollten Sie dennoch erst einmal in aller Ruhe das Gespräch suchen. Im besten Fall lässt sich alles ganz einfach klären. Oft liegt es nur an einem Fehler in der Buchhaltung oder bei der Bank. Unter Umständen erklärt Ihnen Ihr Arbeitgeber aber auch, dass er sich gerade in einem finanziellen Engpass befindet. Wenn Sie ihn unterstützen wollen, können Sie ihm mit einer Stundung oder einem Verzicht entgegenkommen:

  • Stundung: Bei einer Stundung geben Sie Ihrem Arbeitgeber mehr Zeit, Ihr Gehalt auszuzahlen. Wann er das Geld überwiesen haben muss, sollten Sie unbedingt schriftlich festhalten. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen Sie Ihren Lohn nicht vor Gericht einklagen. Außerdem dürfen Sie keinen Schadenersatz fordern, etwa weil Sie Ihr Konto überziehen mussten und dabei Zinsen angefallen sind. Achten Sie auch darauf, wie lange Sie laut Tarif- oder Arbeitsvertrag Ihr Gehalt rückwirkend vor Gericht einfordern können. Wenn es dafür eine Frist gibt, sollte die Stundung rechtzeitig davor enden. So bleibt Ihnen die Chance, Ihr Geld doch noch einzuklagen.
  • Verzicht: Bei einem Verzicht schenken Sie Ihrem Chef das Geld, das er Ihnen schuldet. Auch einen möglichen Schadenersatz oder Zinsen können Sie dann nicht mehr einfordern. Falls Sie sich das nachträglich anders überlegen, können Sie den Verzicht nicht mehr rückgängig machen. Einzige Ausnahme: Ihr Chef hat Sie massiv unter Druck gesetzt. Dies ist aber meist sehr schwierig zu beweisen.

In jedem Fall sollten Sie sich Bedenkzeit nehmen, bevor Sie einwilligen oder ablehnen. Wenn Sie Ihrem Chef entgegenkommen, wird ihm das möglicherweise helfen, die Firma aus einer Schieflage zu retten. Entsprechend dankbar sollte er Ihnen sein und sich bei späterer Gelegenheit erkenntlich zeigen. Nur gibt es keine Garantie dafür, und einmal abgetretene Rechte bekommen Sie nicht zurück. Fällt Ihnen die Entscheidung schwer, überlegen Sie, ob Sie den Betriebsrat hinzuziehen. Dieser kann Ratschläge geben oder zwischen Ihnen und Ihrem Chef vermitteln.

Ein Mann in kariertem Hemd sitzt zu Hause und tippt auf seinem Laptop
© istock/Jasmina007/2019  Wenn Sie rechtzeitig eine Mahnung schreiben, können Sie sich später darauf berufen.

So formulieren Sie eine Abmahnung

Hat Ihr Arbeitgeber den festgelegten Zahlungstermin nicht eingehalten, ist er rechtlich automatisch im Zahlungsverzug. Dies gilt auch, ohne dass Sie ihm eine schriftliche Mahnung schicken, wie es etwa Händler bei offenen Rechnungen tun. Wenn ein Gespräch nicht weiterführt, sollten Sie sich dennoch zunächst schriftlich an Ihren Arbeitgeber wenden, bevor Sie vor Gericht ziehen. Bei einem möglichen Verfahren können Sie so zeigen, dass Sie Ihrem Chef die Chance gegeben haben, die Zahlung nachzuholen.

Im besten Fall übt ein klar formuliertes Forderungsschreiben so viel Druck aus, dass Ihr Arbeitgeber seine Schulden lieber schnell begleicht. Doch was sollten Sie in dieses Schreiben aufnehmen? Wichtig ist Folgendes:

  • Ihr Name und Ihre Adresse
  • Der Name und die Adresse Ihres Arbeitgebers inklusive des Ansprechpartners
  • Ort und Datum
  • Der Betreff „Abmahnung“
  • Welche Gehälter werden Ihnen geschuldet, welche Gesamtsumme ergibt dies? Verweisen Sie dabei auf Ihren Arbeitsvertrag.
  • Die Aufforderung, das Geld bis zu einem bestimmten Termin zu überweisen (in der Regel eine Frist von sieben Tage) und zukünftig pünktlich zu zahlen
  • Ein Hinweis darauf, von welchen Rechten Sie (möglicherweise) Gebrauch machen, wenn die Frist ergebnislos verstreicht (Gerichtsverfahren, Arbeitsverweigerung, Kündigung)

Damit Sie im Fall der Fälle die richtigen Worte finden, haben wir für Sie ein Musterschreiben vorbereitet. Dabei brauchen Sie nur die persönlichen Angaben wie Namen, Daten und Summen einzusetzen.

Arbeitsverweigerung, Kündigung, Klage: Diese Konsequenzen dürfen Sie ziehen

Wenn Ihr Arbeitgeber sich nicht an die Spielregeln hält, dürfen Sie Konsequenzen ziehen. Wir stellen Ihnen hier die grundsätzlichen Möglichkeiten vor. Da jeder Fall unterschiedlich ist, sollten Sie sich zu Ihrer eigenen Sicherheit aber beraten lassen. Viele Rechtsschutzversicherungen bieten ein kostenloses Erstgespräch an, und auch die Gewerkschaften unterstützen ihre Mitglieder in Rechtsfragen.

Haben Sie sich für einen Weg entschieden, finden Sie entsprechende Formulierungen in unserem Musterschreiben. Unzutreffendes streichen Sie einfach weg.

Arbeitsverweigerung

Für den Fall, dass Ihr Chef Ihre Arbeit nicht bezahlt, räumt Ihnen der Gesetzgeber das sogenannte „Zurückbehaltungsrecht“ (§ 273 BGB) ein. Konkret bedeutet dies, dass Sie Ihre Arbeitsleistung „zurückbehalten“, also verweigern können. Bei allem nachvollziehbaren Ärger sollten Sie aber sichergehen, dass die Bedingungen dafür erfüllt sind:

  • Langfristige Verzögerung: Sie warten schon länger auf Ihr Gehalt und Besserung ist nicht in Sicht. Falls jedoch absehbar ist, dass Sie Ihren Lohn bald ausgezahlt bekommen, dürfen Sie die Arbeit nicht niederlegen. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn Ihr Arbeitgeber nur darauf wartet, dass ein Kunde eine hohe Rechnung begleicht. 
  • Hohe Zahlungsrückstände: Nach der Rechtsprechung müsste Ihr Chef schon zwei bis drei vollständige Monatsgehälter in Verzug sein. Wenn er nur ein paar Tage mit der Gehaltszahlung hinterherhinkt, heißt das noch nicht, dass Sie Ihre Arbeitsleistung verweigern dürfen.
  • Kein unverhältnismäßiger Schaden für den Arbeitgeber: Beachten Sie, welche Auswirkungen es hat, falls Sie nicht bei der Arbeit erscheinen. Wenn Sie eine Schlüsselfunktion im Unternehmen haben, könnte Ihr Fernbleiben zum Beispiel dazu führen, dass Ihre Firma Aufträge verliert oder Projekte nicht beenden kann. In diesem Fall dürfen Sie die Arbeit nicht niederlegen, weil der Schaden, der Ihrem Unternehmen – und auch Ihren Kollegen – entsteht, im Verhältnis zu groß wäre.

Verweigern Sie Ihre Arbeit zu Recht, darf Ihnen daraus kein Schaden entstehen. Das heißt, weder darf Ihr Chef Ihnen aus diesem Grund kündigen, noch verlieren Sie die Ansprüche auf Ihr ausstehendes Gehalt.

Eine junger Mann packt seine Sachen aus dem Büro in einen Karton
© istock/fizkes/2018  Wenn Sie dauerhaft nicht bezahlt werden, dürfen Sie fristlos kündigen.

Fristlose Kündigung

Das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung haben nicht nur Unternehmen. Auch Angestellte dürfen das Arbeitsverhältnis frühzeitig und unabhängig von ihrer Kündigungsfrist beenden, wenn ihr Arbeitgeber einen schwerwiegenden Vertragsbruch begeht. Dies trifft zu, wenn Ihr Gehalt nicht ausgezahlt wird – allerdings muss es sich um eine große Summe und/oder einen langen Zeitraum handeln. Auch hier sollten zwei bis drei Monatsgehälter nicht auf Ihrem Konto eingegangen sein, bevor Sie über diesen Schritt nachdenken.

Um fristlos kündigen zu können, müssen Sie Ihrem Arbeitgeber zuvor jedoch eine entsprechende Abmahnung geschickt haben. Darin fordern Sie ihn auf, das ausstehende Gehalt umgehend zu überweisen, und teilen ihm mit, dass Sie andernfalls kündigen werden. Führt die Abmahnung nicht zum Erfolg, dürfen Sie die fristlose Kündigung einreichen. Dies ist besonders dann ratsam, wenn Sie bereits einen anderen Job in Aussicht haben. Treten Sie nicht direkt eine neue Stelle an, vergessen Sie nicht, sich unmittelbar bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend zu melden.

Selbstverständlich steht Ihnen Ihr Gehalt weiterhin zu – sogar bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist. Das heißt, Sie werden so lange bezahlt, wie Sie hätten arbeiten müssen, wenn Sie ganz normal und nicht fristlos gekündigt hätten. Weiterhin dürfen Sie auch eine Abfindung für den Verlust Ihres Arbeitsplatzes fordern.

Justizia als kleine Statue
© istock/audioundwerbung/2017  Wenn der Chef Ihr Gehalt nicht zahlt, dürfte das Urteil zu Ihren Gunsten ausfallen.

Klage vor dem Arbeitsgericht

Wenn Sie Ihren Arbeitgeber nicht anders dazu bewegen können, Ihr Gehalt zu zahlen, ist der Gang vor das Arbeitsgericht unter Umständen der einzige Ausweg. Beachten Sie dabei mögliche Ausschlussfristen in Ihrem Arbeits- oder Tarifvertrag: Diese „Verfallklauseln“ geben an, wie lange Sie Ihr Gehalt rückwirkend fordern können und wann dieses Recht verfällt. Oft sind es drei oder sechs Monate. Wenn Sie Klage einreichen, führt dies häufig zu einer sogenannten Güteverhandlung. Dabei erklärt sich der Arbeitgeber in der Regel bereit, das ausstehende Gehalt zu zahlen, um weitere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Wenn Sie sich in diesem Schritt allerdings nicht einig werden, schließt sich ein Gerichtsverfahren an. Spätestens jetzt sollten Sie unbedingt einen Anwalt hinzuziehen. Haben Sie Ihren Prozess gewonnen, können Sie mithilfe des Urteils Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten. Das bedeutet, dass Sie beispielsweise einen Gerichtsvollzieher einschalten. Oder Sie veranlassen eine Kontopfändung, bei der das Guthaben Ihres Arbeitgebers eingefroren wird, bis er seine Schulden beglichen hat.

Neben Ihrem Gehalt stehen Ihnen unter Umständen auch Schadensersatz und Zinsen zu

Sie haben gehört oder gelesen, es gibt einen pauschalen Schadenersatz von 40 Euro, der jedes Mal automatisch fällig wird, wenn der Arbeitgeber zu spät zahlt? Egal, ob Ihnen Kosten entstanden sind? Das stimmt leider nicht. Diese Regelung gibt es nur im Geschäftsverkehr. Als Arbeitnehmer können Sie aber Ersatz für tatsächlich entstandenen Schaden fordern.

Bei den Verzugszinsen halten Sie sich mit Ihrer Forderung am besten an den jeweils aktuellen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank. Auf den dürfen Sie 5 Prozentpunkte aufschlagen. Wenn der Basiszinssatz Anfang 2020 also bei 0,88 Prozent lag, durfte ein Arbeitnehmer 5,88 Prozent Zinsen auf das ausstehende Gehalt erwarten.

Eine junge Frau im Kleid sitzt im Flur eines Amtsgebäudes und wartet
© istock/fotografixx/2015  Sie haben die Arbeit niedergelegt oder werden nicht mehr beschäftigt? Dann kann Ihnen trotz laufendem Arbeitsvertrag Arbeitslosengeld zustehen.

In diesen Fällen steht Ihnen Arbeitslosengeld zu

Während Sie versuchen, eine Einigung mit Ihrem Chef zu erzielen, haben Sie natürlich weiterhin finanzielle Verpflichtungen. Leider müssen Sie diesen nachkommen, auch wenn das vielleicht bedeutet, dass Sie Ihr Konto überziehen. Immerhin dürfen Sie aber für alle Kosten, die Ihnen nun zusätzlich entstehen – beispielsweise Mahngebühren oder Zinsen für den Dispokredit – Schadenersatz von Ihrem Arbeitgeber verlangen.

Finanzielle Unterstützung durch das Arbeitsamt steht Ihnen zu, wenn Sie – trotz laufendem Arbeitsvertrag – im eigentlichen Sinne des Wortes arbeitslos sind. Das ist der Fall, wenn Ihr Arbeitgeber Sie nicht mit Aufgaben beschäftigt oder Sie Ihr Recht auf Arbeitsverweigerung nutzen. Beim Arbeitsamt müssen Sie in dieser Situation das sogenannte „Arbeitslosengeld im Rahmen der Gleichwohlgewährung“ anfragen, um Unterstützung zu bekommen. Dass Sie tatsächlich kein Gehalt ausgezahlt bekommen, können Sie mit Ihren Kontoauszügen belegen.

Ein älterer Mann spricht am Smartphone und schaut verärgert
© istock/fizkes/2019  Wenn das letzte Gehalt nach der Kündigung nicht kommt, suchen Sie schnell das Gespräch – denn nach einer bestimmten Frist kommen Sie sonst ans Geld nicht mehr ran.

Nach der Kündigung: Wenn das letzte Gehalt nicht kommt

Gelegentlich kommt es vor, dass Arbeitgeber das letzte Gehalt nach der Kündigung nicht auszahlen. Doch auch wenn man nicht im Guten auseinandergeht, der Angestellte möglicherweise auch freigestellt wird: Jeder Arbeitnehmer das Recht, bis zuletzt für seine Arbeit entlohnt zu werden. Zwar fallen die Druckmittel Arbeitsverweigerung und Kündigung weg. Trotzdem haben Arbeitnehmer in diesem Fall gute Chancen, ihr Geld nachträglich zu bekommen.

Suchen Sie auch in dieser Situation zunächst das Gespräch. Möglicherweise handelt es sich nur um das Versehen einer übereilten Buchhaltung. Erreichen Sie auf diesem Wege nichts, mahnen Sie die Zahlung schriftlich an: Schreiben Sie Ihrem ehemaligen Chef, welche Summe er Ihnen schuldet und dass Sie eine umgehende Zahlung erwarten, weil Sie andernfalls rechtliche Schritte einleiten.

Ist nach einer guten Woche kein Geld auf Ihrem Konto eingegangen, wenden Sie sich am besten an das Arbeitsgericht. Damit sollten Sie sich auf keinen Fall zu lange Zeit lassen, sodass die erwähnten Ausschlussfristen aus Ihrem Tarif- oder Arbeitsvertrag nicht verstreichen.
 

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