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Das letzte Mittel: So läuft eine Zwangsvollstreckung ab

von Dagmar Sörensen, 17.03.2022

Zwangsvollstreckung. Allein das Wort klingt bedrohlich und macht Angst. Umso wichtiger, genau zu wissen, was es eigentlich bedeutet: Wann und wie kann es dazu kommen? Und wie genau funktioniert so etwas? Kann man sich gegen eine Zwangsvollstreckung wehren? Und wenn ja, was muss man tun? Das alles und noch mehr klären wir hier.

Themen in diesem Artikel

Auf den Punkt

Auf den Punkt

  • Mit einer Zwangsvollstreckung können Gläubiger*innen berechtigte Forderungen mit staatlicher Hilfe durchsetzen.
  • Nötig ist ein Vollstreckungstitel mit Vollstreckungsklausel und die Zustellung an die Schuldner*innen.
  • Es gibt verschiedene Arten von Zwangsvollstreckungen.
  • Die Kosten tragen die Schuldner*innen.

Was ist eine Zwangsvollstreckung?

Eine Zwangsvollstreckung ist die letzte Möglichkeit für Gläubiger*innen, ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen, wenn Schuldner*innen nicht bezahlen. Anstatt Geld bekommen Sie dann zum Beispiel Schmuck oder Möbel der Schuldner*innen, die sie verkaufen können (mehr dazu im Kapitel „Arten der Zwangsvollstreckung“).

Bei einer Zwangsvollstreckung unterstützt der Staat Gläubiger*innen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche. Diese staatliche Maßnahme kann sowohl von Behörden als auch von Privatpersonen eingeleitet werden.

Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung

Eine Zwangsvollstreckung ist an strenge Voraussetzungen gebunden. So muss grundsätzlich ein Vollstreckungstitel vorliegen. Das ist quasi die „Erlaubnis“, dass der Staat dabei mithilft, dass Gläubiger*innen endlich ihr Geld bekommen oder wenigstens einen Ausgleich. Es gibt zwei verschiedene Vollstreckungstitel: 

Einen davon stellt der Vollstreckungsbescheid dar. Davor steht immer ein Mahnverfahren. Dabei sieht der Ablauf so aus: Jemand kauft etwas, bezahlt aber nicht. In der Regel erhält diejenige Person erst eine Zahlungsaufforderung, dann bis zu drei Mahnungen und möglicherweise auch noch einen Inkasso-Brief oder ein anwaltliches Schreiben.

Wenn die zahlungssäumige Person all das ignoriert, können die Gläubiger*innen ein gerichtliches Mahnverfahren einleiten und so einen amtlichen Mahnbescheid erwirken. Reagieren die Schuldner*innen jetzt noch immer nicht, steht den Gläubiger*innen der Weg frei, einen Vollstreckungsbescheid zu beantragen. Der ist wie ein Gerichtsurteil zu bewerten und stellt damit einen Vollstreckungstitel dar.

Wichtig: Wenn Sie einen Mahnbescheid bekommen, können Sie Widerspruch einlegen. In dem Fall dürfen die Gläubiger*innen keinen Vollstreckungsbescheid beantragen. Stattdessen kommt es zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren.

Für andere Arten von Vollstreckungstiteln ist kein gerichtliches Mahnverfahren nötig. Das sind zum Beispiel:

  • Gerichtsurteile, also wenn ein Gericht Schuldner*innen zur Zahlung verurteilt
  • gerichtliche Vergleiche
  • gerichtliche oder notarielle Urkunden
  • Urkunden eines Jugendamtes, die ein Elternteil zu Unterhaltszahlungen verpflichtet
  • Bescheide von Städten 
  • Bescheide vom Finanzamt

Ein Vollstreckungstitel ist nur gültig mit folgenden Inhalten:

  • Namen von Gläubiger*in und Schuldner*in 
  • Genaue Beschreibung von Inhalt, Art und Umfang der geschuldeten Leistung
  • Vollstreckungsklausel, die zum Beispiel lauten kann: „Die vorstehende Ausfertigung wird zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt.” Ohne eine solche Klausel passiert eine Zwangsvollstreckung in der Regel nicht.

Weitere Voraussetzung für eine Zwangsvollstreckung: Der Vollstreckungstitel muss der verschuldeten Person vor oder mit Beginn der Vollstreckung zugestellt werden. Die Zustellung von Urteilen und Beschlüssen erfolgt durch das Gericht. Bei anderen Vollstreckungstiteln wie dem Vollstreckungsbescheid beauftragen die Gläubiger*innen die zuständigen Gerichtsvollzieher*innen. 

Frau füllt vor ihr auf dem Tisch liegendes Formular aus
© istock/LaylaBird/2018  Eine Vermögensauskunft muss wahrheitsgemäß und umfassend ausgefüllt werden, sonst drohen Strafen.

Vermögensauskunft bei Zwangsvollstreckung

Sobald Gläubiger*innen einen Vollstreckungstitel haben, können sie von den Schuldner*innen eine Vermögensauskunft verlangen. Früher wurde das als eidesstattliche Versicherung oder auch Offenbarungseid bezeichnet. Dazu werden Gerichtsvollzieher*innen eingeschaltet.

Die schicken den Schuldner*innen ein mehrseitiges Formular, das sogenannte Vermögensverzeichnis, unter anderem mit Fragen zu

  • Bankkonten und Wertpapierdepots 
  • Einkommen
  • Unterhaltsansprüchen
  • Arbeitgeber
  • Haus- und Grundbesitz
  • Vermögenswerten wie Schmuck, Autos, Kunstgegenständen, Antiquitäten
  • Nebeneinkünften

Mit der Unterschrift unter dem Formular versichern die Schuldner*innen, dass alle Angaben richtig und vollständig sind. Ein absichtlich oder fahrlässig falsch ausgefülltes Vermögensverzeichnis kann zu einer Geld- oder sogar Haftstrafe führen. Und wenn sie die Abgabe einer Vermögensauskunft verweigern, riskieren sie sogar eine Verhaftung.

Auktionator versteigert Wertgegenstände vor einem größeren Publikum
© istock/RichLegg/2015  Bei einer Zwangsvollstreckung können Wertgegenstände auch versteigert werden.

Arten der Zwangsvollstreckung

Wie eine Zwangsvollstreckung abläuft, entscheiden in der Regel die Gläubiger*innen. Folgende Möglichkeiten stehen dabei zur Wahl:

  • Vollstreckung in bewegliches Vermögen oder Sachpfändung
  • Vollstreckung in Immobilien
  • Vollstreckung in Geldforderungen oder Pfändung von Forderungen

Vollstreckung in bewegliches Vermögen

Die Sachpfändung führen in der Regel Gerichtsvollzieher*innen durch. Sie können ankündigen, wann die Pfändung erfolgen soll, der Besuch kann aber auch überraschend kommen.

Als Betroffene*r müssen Sie die Gerichtsvollzieher*innen nicht in Ihre Wohnung lassen. Eine Weigerung ist aber nicht unbedingt ratsam. Gerichtsvollzieher*innen bekommen problemlos einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss und dürfen damit sogar Ihre Wohnungstür aufbrechen. Die Kosten für die Schäden an der Tür tragen dann Sie.

Ihre Wohnung darf komplett nach Wertsachen durchsucht werden. Die Gerichtsvollzieher*innen können Schubladen und Schränke öffnen, alle Zimmer und auch Anbauten, Garagen oder Gärten inspizieren. Bargeld, Wertpapiere und Schmuck nehmen die Gerichtsvollzieher*innen sofort gegen Quittung mit. Außerdem kennzeichnen sie Antiquitäten, Kunstgegenstände oder besonders teure Elektrogeräte mit einem Pfandsiegel – als berüchtigter „Kuckuck” bekannt. Diese markierten Gegenstände werden später abgeholt und versteigert. Der Erlös geht an die Gläubiger*innen.

Als unpfändbar gelten Fernseher, Waschmaschine, Telefon, Computer oder auch Möbel und Kleidung – alles, was zu einer „bescheidenen Lebensführung” benötigt wird. 

Gerichtsvollzieherinnen: Zwischen Vorschrift und Mitgefühl – Die ganze Reportage | stern TV

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Vollstreckung in Immobilien

Wenn die Gläubiger*innen Zugriff auf das Haus eine Eigentumswohnung der Schuldner*innen wollen, müssen sie das beim Vollstreckungsgericht beantragen. Die Zwangsvollstreckung kann dann auf verschiedene Arten erfolgen:

  • per Zwangsversteigerung
  • per Zwangsverwaltung
  • per Zwangshypothek

Bei einer Zwangsversteigerung legen in der Regel zunächst unabhängige Sachverständige den Verkehrswert der Immobilie fest. Die Wohnung beziehungsweise das Haus geht dann an die Person, die am meisten Geld bietet.

Bei Zwangsvollstreckungen von vermieteten Immobilien oder Hotelgewerben wird oft eine Zwangsverwaltung eingesetzt. Die Gläubiger*innen erhalten in solchen Fällen die Erträge aus der Verwaltung.

Bei einer Zwangshypothek werden die Schuldner*innen verpflichtet, eine Hypothek auf den Grundbesitz aufzunehmen, die im Grundbuch eingetragen wird. Damit bekommen die Gläubiger*innen zwar kein Geld, aber eine wertvolle Sicherheit. Denn die Hypothek kann gegebenenfalls später für eine Zwangsversteigerung oder eine Zwangsverwaltung eingesetzt werden.

Vollstreckung in Geldforderungen

Bei dieser Art der Zwangsvollstreckung wird das Geld gepfändet, das die Schuldner*innen ihrerseits von anderen einfordern können – zum Beispiel vom Arbeitgeber oder der Bank. Gepfändet werden also Löhne und Gehälter beim Arbeitgeber beziehungsweise (Spar-)Guthaben bei Banken. Denkbar ist aber auch die Pfändung einer Lebensversicherung.

Wichtig: Bei einer Lohn- oder Gehaltspfändung muss die sogenannte Pfändungstabelle berücksichtigt werden. Dort ist festgelegt, wie viel mindestens zum Leben bleiben muss. Diese Pfändungsfreigrenze ist abhängig vom monatlichen Nettoeinkommen und der Anzahl der Personen, für die die Schuldner*innen Unterhalt zahlen müssen. Mehr dazu lesen Sie in dem Ratgeber „Privatinsolvenz: Wie hoch ist der Selbstbehalt?”.

Wenn die pfändbare Summe nicht ausreicht, um die Schulden zu begleichen, läuft die Pfändung so lange Monat für Monat weiter, bis die offene Forderung beglichen wurde.

Eine junge Frau bedient die Waschmaschine
© istock/GoodLifeStudio/2018  Selbst bei einer Zwangsvollstreckung darf die Waschmaschine nicht gepfändet werden.

Kosten einer Zwangsvollstreckung

Die Kosten einer Zwangsvollstreckung zahlen die Schuldner*innen; sie kommen auf die eigentlichen Schulden obendrauf. Allerdings müssen die Gläubiger*innen die Kosten zunächst auslegen. Sie bekommen sie dann später zusammen mit dem ursprünglichen Forderungsbetrag von den Schuldner*innen erstattet.

Zu den anfallenden Kosten zählen zum Beispiel

  • außergerichtliche Kosten, etwa Portokosten für die Zustellung der Mahnung und Verzugszinsen
  • Gerichtskosten,
  • Kosten für die Gerichtsvollzieher*innen,
  • Kosten für den Rechtsbeistand und
  • Kosten zur Erlangung einer vollstreckbaren Ausfertigung und Zustellung des Urteils.

Die Kosten einer Zwangsvollstreckung lassen sich vorab nicht genau beziffern. Sie fallen unterschiedlich aus – je nach Aufwand, der betrieben werden muss, um die Forderung einzutreiben. Und auch die Höhe des Forderungsbetrages spielt eine Rolle.

Dabei regeln Gesetze die Gebühren für Gerichtsvollzieher*innen (Gesetz über die Kosten der Gerichtsvollzieher (GvKostG)) beziehungsweise für Rechtsanwält*innen (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG))

Beispiel: Bis zu einer Forderungshöhe von 1.500 Euro bekommen Gerichtsvollzieher*innen durchschnittlich 30 bis 40 Euro und Rechtsanwält*innen rund 45 Euro. Für den Antrag einer Konto- oder Lohnpfändung berechnet das Gericht 15 Euro – unabhängig von der Höhe der ausstehenden Forderung.

Zwangsvollstreckung abwenden

Am einfachsten lässt sich eine drohende Zwangsvollstreckung abwenden, indem die Schuldner*innen sich mit den Gläubiger*innen verständigen. Wenn genug Geld da ist, sollte die offene Rechnung umgehend beglichen werden. Oft lässt sich die Gegenpartei auch auf Ratenzahlung ein oder ist sogar bereit, auf einen Teil der ausstehenden Summe zu verzichten. Schließlich bleibt ihr auf diese Weise auch eine Menge Ärger und Aufwand erspart.

Neben der gütlichen Einigung stehen Schuldner*innen auch Rechtsmittel zur Verfügung:

  • Die Schuldner*innen können sich mit einer sofortigen Beschwerde an die nächsthöhere Instanz wenden und die Entscheidung zur Zwangsvollstreckung prüfen lassen. Die ist allerdings nur möglich, wenn die Anordnung zur Zwangsvollstreckung noch nicht rechtskräftig ist.
  • Mit einer Vollstreckungserinnerung dürfen die Schuldner*innen auf Fehler bei vollstreckungsrechtlichen Vorschriften hinweisen. Beispiel: Es wurden Dinge gepfändet, die unpfändbar sind, wie eine Waschmaschine. Allerdings lässt sich die Zwangsvollstreckung dadurch nicht komplett abwenden, sondern nur die Pfändung bestimmter Gegenstände!
  • Mit einer Vollstreckungsgegenklage kann die Zwangsvollstreckung sogar endgültig abgewiesen werden, und zwar, wenn nach Ansicht der Schuldner*innen kein Grund mehr für eine Zwangsvollstreckung besteht. Beispiel: Die Schulden wurden inzwischen bezahlt oder die Schuldner*innen sind vorzeitig von dem Vertrag zurückgetreten, durch den die Schulden überhaupt erst entstanden sind.
  • Eine Drittwiderspruchsklage können diejenigen einreichen, die von einer Pfändung betroffen sind, obwohl sie mit den Schulden nichts zu tun haben. Beispiel: Die Schuldner*innen fahren ein geleastes Auto, das gepfändet werden soll.

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