
„Vorfälligkeit“: Alles über die Extrakosten bei der vorzeitigen Kreditrückzahlung

Juhu, so ein Lottogewinn oder eine Sonderzahlung im Job sind eine feine Sache. Und es geht noch besser: Du könntest mit dem Geld deinen laufenden Kredit oder das Immobiliendarlehen auf einen Schlag zurückzahlen. Dann wärst du nicht nur die Schulden los, sondern sparst auch noch die Zinsen, die sonst Monat für Monat fällig würden. Aber Moment! Verzichtet die Bank denn einfach so auf die Zinsen? Tut sie nicht. Sondern sie darf einen Teil der entgangenen Zinsen auf die Kredit-Restsumme draufschlagen. Wann und wie viel, liest du hier.
Themen in diesem Artikel
- Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?
- Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet?
- Kann man die Entschädigung umgehen?
- Kann man die Vorfälligkeitsentschädigung von der Steuer absetzen?
- Ist eine Vorfälligkeitsentschädigung rechtens?

Auf den Punkt
- Die Vorfälligkeitsentschädigung musst du zahlen, wenn du einen Kredit vorzeitig kündigst.
- Das Geld soll die Bank für die entgangenen Zinsen entschädigen.
- Bei Verbraucherkrediten ist gesetzlich geregelt, wie viel die Bank an Entschädigung verlangen darf.
- Bei Immobilienkrediten ist die Entschädigung in der Regel von vornherein im Vertrag festgelegt.
- Die Vorfälligkeitsentschädigung darf niemals höher sein als die Zinsen, die der Bank entgangen sind.
Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?
Die Vorfälligkeitsentschädigung ist eine Art „Strafgebühr“. Nämlich dafür, dass du einen Kredit früher zurückzahlst als vereinbart. Zum Beispiel, wenn du etwas geerbt oder im Lotto gewonnen hast. Dann liegt die Idee nahe: Warum noch weiter die Kreditraten zahlen, anstatt einfach die komplette Restschuld in einem Rutsch an die Bank zu überweisen?
Gut für dich. Aber nicht für die Bank. Denn im Normalfall werden für den Betrag, den du noch zurückzahlen musst, Monat für Monat Zinsen fällig. Die sind quasi der Ertrag, den die Bank für den Kredit einstreicht. Wenn du aber die gesamte Restsumme vorzeitig begleichst, fallen diese Zinsen weg. Und damit verliert die Bank einen Teil des Gewinns, den sie sich ausgerechnet hat. Zum Ausgleich darf sie auf die Restschuld etwas draufschlagen – nämlich die Vorfälligkeitsentschädigung.
Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet?
Bei der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung ist es wie so oft in Finanzfragen: Es kommt darauf an. Und zwar darauf, …
- um was für einen Kredit es geht,
- wann du den Kreditvertrag abgeschlossen hast,
- wie lange der Kredit noch läuft (sogenannte Restlaufzeit) und
- wie hoch die Zinsen sind beziehungsweise wie lange deine Zinsen noch festgeschrieben sind (sogenannte Zinsbindung).
Blicken wir zunächst auf die Art des Kredits. Es gibt bei der Vorfälligkeitsentschädigung einen Unterschied zwischen einem Verbraucherkredit (etwa einem Kredit fürs Auto, Smartphone oder für die neue Waschmaschine) und Immobilienkrediten (für die Baufinanzierung oder einen Hauskauf).
Verbraucherkredit
Wenn dein Kredit schon sehr lange läuft, dann hast du möglicherweise Pech: Gesetzliche Regelungen für die Vorfälligkeitsentschädigung gibt es erst für Verträge, die ab dem 11. Juni 2010 abgeschlossen wurden. Für alle älteren Kredite gilt das, was im Vertrag steht.
Aber bei Krediten ab dem 11. Juni 2010 ist es recht einfach:
- Wenn du laut Tilgungsplan den Kredit noch länger als ein Jahr lang abbezahlst, darf die Bank 1 Prozent der Restschuld draufschlagen. Beispiel: Bei dir stehen noch 15 monatliche Raten à 100 Euro aus. Die Restschuld beträgt also 1.500 Euro. Wenn du die auf einen Schlag abbezahlen willst, kommt 1 Prozent = 15 Euro obendrauf. Du zahlst also 1.515 Euro, sparst dir aber die Zinsen.
- Wenn die Restlaufzeit nur noch ein Jahr oder kürzer ist, darf die Bank nur 0,5 Prozent auf die Restsumme hinzurechnen. Beispiel: Du musst noch fünf Monate lang je eine Rate von 100 Euro überweisen. Deine Restschuld beträgt also 500 Euro. Wenn du die auf einmal abbezahlen willst, kommen 0,5 Prozent = 2,50 Euro hinzu. Du zahlst also 502,50 Euro.
Übrigens: Wenn es rechnerisch so sein sollte, dass die Vorfälligkeitsentschädigung höher ist als die Zinsen, die der Bank entgehen – dann gilt die Höhe der Zinsen. Mehr darf die Bank nicht für die vorzeitige Ablösung des Kredits verlangen.

Immobilienkredit
Du hast einen Kredit aufgenommen, um den Kauf oder den Bau einer Immobilie zu finanzieren? Dann ist das mit der vorzeitigen Rückzahlung nicht ganz so einfach. Denn die Regeln für die Vorfälligkeitsentschädigung eines Verbraucherkredits gelten nicht für einen Immobilienkredit.
Wenn du das geliehene Geld früher zurückzahlst, entspricht das rein rechtlich einer vorzeitigen Vertragskündigung. Laut Gesetz darfst du das nur in zwei Fällen:
- Du hast einen Immobilienkredit mit festen Zinsen, der schon mehr als zehn Jahre läuft. In diesem Fall hast du gemäß § 489 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Sonderkündigungsrecht, darfst den Kredit also kündigen, ohne dass weitere Kosten entstehen. Allerdings gibt es eine sechsmonatige Kündigungsfrist. Und: Die Frist von zehn Jahren beginnt nicht mit der Vertragsunterschrift, sondern erst, wenn das geliehene Geld an dich überwiesen worden ist.
- Du hast einen Immobilienkredit mit variablen Zinsen, also keine Zinsbindung. Dann darfst du jederzeit kündigen mit einer Frist von drei Monaten.
Unter diesen beiden Umständen darfst du sogar den Vertrag auflösen, ohne dass die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung kassieren darf.
In fast allen anderen Fällen darf die Bank deine vorzeitige Rückzahlung ablehnen. Es sei denn, es treffen bei dir folgende Ausnahmen von dieser Regel zu.
- Du musst die Immobilie verkaufen (zum Beispiel, wenn du wegen einer Krankheit oder Scheidung die Raten nicht mehr begleichen kannst).
- Du brauchst für einen Ausbau oder eine Renovierung einen weiteren Kredit, den die Bank dir aber nicht gewähren will. Also musst du zu einer anderen Bank wechseln, die die Immobilie als Sicherheit verlangt.
Zwar kann die Bank in solchen Fällen gar nicht anders, als deine Kündigung anzunehmen. Wie hoch dann die Vorfälligkeitsentschädigung ausfällt, ist in der Regel vertraglich festgelegt. Einzige gesetzliche Vorgabe: Die Ausgleichszahlung darf nicht höher sein als die Zinsen, die ihr entgehen.
Und wie hoch ist das? Ein Rechner hilft dir. Zum Beispiel der Rechner der Stiftung Warentest. Hier kannst du die Restlaufzeit, die Kreditsumme und die Zinsen eingeben, und das Programm rechnet für dich aus, wie viel maximal fällig wird. Oft liegt die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung zwischen fünf und zehn Prozent der Restschuld.
Übrigens: Auch bei KfW-Krediten mit Zinsbindung wird in der Regel eine Vorfälligkeitsentschädigung erhoben. Die Details entnimmst du deinem Vertrag.

Kann man die Entschädigung umgehen?
Nicht immer musst du die Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen. Bei Immobilienkrediten gibt es zum Beispiel zwei Fälle, in denen du ungeschoren davonkommst (siehe voriges Kapitel).
Bei allen anderen Verträgen gibt es eine Chance, wenn …
- im Vertrag nicht ordnungsgemäß dein Widerrufsrecht aufgeführt ist. Ob das der Fall ist, solltest du anwaltlich prüfen lassen. Dann kannst du den Vertrag vielleicht ohne weitere Kosten kündigen. Allerdings gibt es verschiedene Fristen, die du einhalten musst – je nachdem, wann du den Vertrag abgeschlossen hast.
- die Bank dich nicht ausreichend über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung aufgeklärt hat. Zum Beispiel, wenn nicht einbezogen ist, dass eine Sonderzahlung möglich wäre, nach der du weniger Zinsen zahlen würdest. Auch hier kann anwaltliche Hilfe nützlich sein. Unter Umständen ist dadurch die gesamte Vorfälligkeitsentschädigung null und nichtig. Diese Option besteht bei allen Verträgen ab dem 21. März 2016.
- die Bank deinen Kredit kündigt. Dann darf dir die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigungen berechnen. So eine Kündigung kann zum Beispiel passieren, wenn du mit deinen Ratenzahlungen im Rückstand bist. Doch deshalb die Zahlungen einzustellen, ist nicht ratsam. Erstens musst du die Schulden trotzdem zurückzahlen. Zweitens bekommst du einen negativen Schufa-Eintrag und findest womöglich keine Bank für einen neuen Kredit.
- du den Vertrag einvernehmlich auflöst. Sprich: Wenn du und die Bank gemeinsam einer Kündigung zustimmt. Das kann zum Beispiel sein, wenn du statt des alten einen neuen, höheren Kreditvertrag bei derselben Bank abschließt.
- jemand anderes den Vertrag übernimmt. Dies ist zum Beispiel beim Hausverkauf eine Option. Du verkaufst eine Immobilie, aber der*die Käufer*in nimmt dafür kein eigenes Darlehen auf, sondern bezahlt einfach deines weiter ab. Wenn die Bank damit einverstanden ist, wird keine Vorfälligkeitsentschädigung fällig.
So geht’s auch: Sonderzahlungen
Du kämest um eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht herum, willst aber trotzdem schneller deinen Kredit loswerden? Dann solltest du es mit Sondertilgungen versuchen. Dabei zahlst du regelmäßig eine außerplanmäßige Summe, sodass die Zinsen sinken und der Kredit früher abbezahlt ist. Je nach Vertrag sind solche Sondertilgungen kostenfrei möglich.
Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel „Sondertilgung bei deinem Kredit: Lohnt sich das?“.
Kann man die Vorfälligkeitsentschädigung von der Steuer absetzen?
Nur in einem einzigen Fall: Du bist Besitzer*in einer vermieteten Immobilie, die du mithilfe eines Immobiliendarlehens gekauft hast. Wenn du dieses Darlehen umschuldest (also einen günstigeren Kredit aufnimmst und damit den alten ablöst), kannst du die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Wichtig: Auch nach der Umschuldung muss die Immobilie weiter vermietet sein.
Ist eine Vorfälligkeitsentschädigung rechtens?
Sofern es um Fälle geht, wie sie bis hierher beschrieben sind: ja. Vor den Gerichten sind aber auch schon welche gelandet, in denen Banken zu Unrecht Geld verlangt hatten:
- Eine Bank hatte im Darlehensvertrag eine Klausel eingearbeitet: Sie räumte dem*der Darlehensnehmer*in ein Sondertilgungsrecht ein und das sogar ohne Vorfälligkeitsentschädigung. Dafür sollte die Kündigung eine Gebühr von 4 Prozent der Darlehenssumme kosten. Unrechtmäßig, sagte der BGH (Bundesgerichtshof) in einem Urteil. Denn der*die Darlehensnehmer*in zahlte bei diesem Modell drauf.
- Zwei Banken verlangten einen pauschalen Aufschlag zusätzlich zur Vorfälligkeitsentschädigung (bei der einen Bank waren es 125, bei der anderen 200 Euro). Warum? So viel koste es, die fällige Summe zu berechnen. Unwirksam, befanden die Gerichte.
Deswegen kann es sich speziell bei großen Summen immer lohnen, sich anwaltlich beraten zu lassen.
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