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Was ist der Rechnungszins und welchen Einfluss hat er auf meinen Versicherungsvertrag?

von Thorsten Schierhorn, 08.09.2023

Wer eine Lebensversicherung abschließt, will damit Gewinn machen. Kapitalgarantie und eine satte Rendite: So lautete denn auch lange das Erfolgsmodell der Anbieter. Gesunkene Rechnungs- und Garantiezinsen setzen dem nun ein Ende. In vielen Fällen ist nicht einmal mehr ein Kapitalerhalt garantiert – also dass Sie das eingezahlte Geld komplett wieder ausgezahlt bekommen. Doch was sind Garantiezins und Höchstrechnungszins überhaupt, und welche Auswirkungen haben sie auf Ihren Versicherungsvertrag? Die KlarMacher bringen Licht für Sie ins Dunkel!

Themen in diesem Artikel

Auf den Punkt

Auf den Punkt

  • Der gesetzlich festgelegte Höchstrechnungszins für Lebens- und Rentenversicherungen beträgt nur noch 0,25 Prozent. Heißt: Mehr Gewinn als das bekommen Sie am Ende der Laufzeit nicht heraus. 
  • Bei vielen neuen Verträgen ist die Kapitalgarantie nicht mehr gewährleistet, da die Kosten höher sind als die Zinsen. Im Klartext: Unter Umständen bekommen Sie sogar weniger Geld zurück, als Sie eingezahlt haben.
  • Die Garantiezinsen alter Verträge bleiben unverändert. Aber: Kunden können indirekt von einem Weiterverkauf des Vertrags durch die Versicherung betroffen sein.

Höchstrechnungszins – was ist das?

Klare Sache: Wenn Sie Geld in eine Lebens- oder Rentenversicherung anlegen, möchten Sie am Ende mehr herausbekommen, als Sie an Beiträgen reingesteckt haben. Wie viel an Gewinn für Sie zusammenkommt, hängt maßgeblich von den Zinsen ab, die Ihnen die Versicherung anbietet. Je höher die sind, desto mehr Ertrag fällt für Sie ab. 

Im Wettbewerb um neue Kundschaft könnte das dazu führen, dass Versicherungen Sie mit besonders hohen Zinsen ködern wollen. Die Frage ist nur, wie viel das Zinsversprechen wert ist. Schließlich muss das Geld für Ihren Gewinn irgendwo herkommen. Anders ausgedrückt: Die Versicherung muss es erst selbst verdienen. Damit sie dabei keine zu großen Risiken eingeht und womöglich Ihr Geld und Ihren Gewinn aufs Spiel setzt, gibt es den Höchstrechnungszins, kurz auch Rechnungszins genannt.

Dieser Rechnungszins wird regelmäßig gesetzlich neu festgelegt und ist eine Art Höhenkontrolle für Zinsen. Mehr als das dürfen die Lebens- oder Rentenversicherungen nicht anbieten. Damit soll das Sparkapital aus Ihren Beiträgen vor allzu waghalsigen Finanzspekulationen geschützt werden. Immerhin geht es dabei oft um Summen, die für viele Menschen ein wichtiger Teil ihrer Altersversorgung sind. Was heißt das nun für die Praxis? Mehr als den Rechnungszins kann Ihnen eine Versicherung aus Sicherheitsgründen nicht garantieren.

Garantiezins und Rechnungszins – das ist der Unterschied

Garantiezins und Rechnungszins – das ist der Unterschied

Der Garantiezins wird oft mit dem Rechnungszins in einen Topf geworfen. Das ist verständlich, weil beide meist gleich hoch sind. Trotzdem gibt es einen Unterschied: Den Garantiezins legen die Versicherer selbst fest, und zwar unverrückbar bei Vertragsabschluss. Die Zinsen, die damit vereinbart sind, muss Ihnen die Versicherung auszahlen. Garantiert.

Wie hoch der Garantiezins ausfällt, ist von Anbieter zu Anbieter anders. Das Ergebnis hängt einerseits von der allgemeinen Wirtschaftslage ab und davon, wie viel Zinsen die Versicherer selbst bekommen, wenn sie das Geld anlegen. Andererseits spielen auch die eigenen Kosten der Versicherer, die jeweilige Vertragslaufzeit oder das Alter der Versicherungsnehmer*innen bei der Berechnung eine Rolle. Der Garantiezins kann niedriger als der Rechnungszins ausfallen, er darf ihn aber nicht übersteigen.

Was der niedrige Rechnungszins für Neuverträge bedeutet

Seit 1994 hat das Bundesfinanzministerium den Höchstrechnungszins immer weiter abgesenkt. Mittlerweile beträgt er nur noch 0,25 Prozent. Das heißt: Wenn Sie jetzt einen neuen Vertrag abschließen, darf Ihnen die Versicherung nicht mehr als 0,25 Prozent Zinsen versprechen (siehe obigen Kasten).

Das ist wenig, aber immerhin etwas, oder? Stimmt, doch das Vertrackte am Garantiezins ist, dass die Versicherung ihn zwar auf das eingezahlte Kapital berechnet, davon aber noch Abschluss- und Verwaltungskosten abzieht. Dann ist unterm Strich vielleicht nur so wenig übrig, dass Ihnen wegen der Mini-Zinsen nur ein Mini-Gewinn bleibt. Und falls Sie eine Absicherung bei Berufsunfähigkeit oder im Todesfall dabeihaben wollen, kostet das auch noch einmal extra. Wenn es schlecht läuft, sind die Gesamtkosten sogar so hoch, dass Sie weniger ausgezahlt bekommen, als Sie eingezahlt haben.

Grafik Höchstrechnungszins

Sind Überschüsse die Rettung?

Die Zeiten sind also vorbei, in denen Sie sich bei einer Lebensversicherung auf einen attraktiven Gewinn verlassen konnten. Aber wenigstens gibt es neben den Garantiezinsen oft noch eine weitere Ertragsquelle. Das sind die sogenannten Überschussbeteiligungen. Die fallen zwar je nach Versicherungsunternehmen unterschiedlich hoch aus, aber immerhin bringen sie zusätzliche Rendite.

Wie entstehen die Überschüsse einer Lebensversicherung?

Wie entstehen die Überschüsse einer Lebensversicherung?

  • Der Versicherer erwirtschaftet mit dem Kapital seiner Kund*innen höhere Erträge als zugesagt.
  • Er arbeitet sparsamer als kalkuliert. 
  • Es sterben weniger Einzahler*innen als statistisch zu erwarten war, und der Versicherer muss weniger an Hinterbliebene auszahlen. 

Doch leider befinden sich auch die Überschussbeteiligungen seit Jahren im Sinkflug. Die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen von Versicherungen hat sich seit dem Jahr 2000 von 7,51 auf 3,74 Prozent etwa halbiert. Sei es drum – mit einer jährlichen Überschussbeteiligung von etwa drei Prozent wären die Anleger*innen ja immer noch fein raus. Ob das so bleibt, ist allerdings sehr fraglich, denn in der Vergangenheit haben Versicherungen den Mammutanteil ihrer Erträge mit Anleihen erwirtschaftet.

Warum ist das ein Problem? Anleihen sind Wertpapiere, über die sich beispielsweise Unternehmen und Staaten frisches Geld besorgen. Im Gegenzug versprechen sie den Käufer*innen der Anleihen nicht nur, das geborgte Geld innerhalb einer bestimmten Frist zurückzuzahlen. Zusätzlich legen sie fest vereinbarte Zinsen obendrauf. Das hat gut geklappt, solange die Zinsen hoch waren. Doch wegen der langjährigen Niedrigzinsphase werfen neue Anleihen nicht mal mehr diese drei Prozent ab. Die oder mehr bekommt nur, wer noch alte Verträge hat.

Tabelle: Zinsentwicklung bei Lebensversicherungen

Lebensversicherung: Nettoverzinsung der Kapitalanlagen

 
JahrJahreswert in Prozent
19806,71
19906,78
20007,51
20024,68
20044,90
20064,82
20083,54
20104,27
20124,59
20144,63
20164,36
20183,59
20203,74

Quelle: GDV/2020

Deshalb haben viele Versicherer ihre Überschussbeteiligung mittlerweile drastisch gekürzt. Um wenigstens etwas Gewinn anbieten zu können, müssen sie immer höhere Risiken in Kauf nehmen: Statt in Anleihen investieren sie immer mehr in Beteiligungen oder Immobilien – weil da höhere Gewinne locken.

Noch geht diese Strategie auf. Sie kann aber zum Problem werden, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) die Marktzinsen erhöht. Und genau das könnte sie tun, wenn die Preise von Waren und Dienstleistungen weiter ansteigen – und damit die Inflation. Damit so eine allgemeine Verteuerung nicht aus dem Ruder läuft, setzen Zentralbanken wie die EZB normalerweise die Zinsen herauf. Die Folge: Auch Anleihen bringen dann automatisch wieder mehr Zinsen.

Das klingt zunächst gut. Aber gleichzeitig verlieren Aktien oder Immobilien unweigerlich an Wert. Das ist ein wirtschaftlicher Automatismus. Die Versicherungen stecken also gerade in der Klemme. Zum einen kämpfen sie mit niedrigen Zinsen und demnächst vielleicht mit sinkenden Kursen. Genügend Erträge für Garantien und Überschüsse zu erwirtschaften, wird dann für sie noch schwieriger.

Eine Mutter und ihre Tochter zählen das Geld aus einem Sparschwein
© istock/JO_Images/2013  Für die Jüngeren wird eine Lebensversicherung bei den derzeitigen Zinsen immer unattraktiver.

Warum auch Altverträge betroffen sind

Wie gesagt: Auf alte Versicherungen hat der gesunkene Rechnungszins keine Auswirkungen, denn versprochen ist versprochen. Die bei Vertragsabschluss zugesagte Garantieverzinsung dürfen die Versicherung nicht kappen. Sie müssen auf jeden Fall die vereinbarten Mindestsummen leisten.

Doch was passiert, wenn sie nicht mehr genug Gewinn am Finanzmarkt machen, um die hohen Zinsen für ihre Altverträge zu bezahlen? Manche verkaufen dann die Policen einfach an Finanzinvestoren weiter. Diese wollen bekanntlich möglichst hohe Gewinne erzielen, indem sie beispielsweise Kosten einsparen. Und weil sie keine neuen Kunden gewinnen müssen, legen sie meistens keinen Wert auf attraktive Überschussbeteiligung oder einen guten Kundenservice. Zum Leidwesen der betroffenen Kunden.

Immerhin: Die garantierten Versicherungssummen müssen solche Finanzinvestoren trotzdem auszahlen, denn auch sie sind an die gesetzlichen Bestimmungen in Deutschland gebunden.

Fazit: Klassische Lebensversicherungen sind ein Auslaufmodell

Wer heute eine Lebensversicherung abschließt, muss sich vom Gedanken der Kapitalgarantie verabschieden. Mit Garantiezinsen von höchstens 0,25 Prozent können viele Versicherungsunternehmen die Kosten für Abschluss, Verwaltung und eventuelle Zusatzleistungen nicht mehr abdecken. Eine Rendite lässt sich zwar dennoch erzielen – sofern der Versicherer es schafft, Überschüsse zu erwirtschaften. Aber auch das wird immer schwieriger

Versicherte mit alten Policen, die noch hohe Garantiezinsen bieten, können indes aufatmen. Für sie gelten die vereinbarten Auszahlungsbeträge weiter. Verkauft der Versicherer den Vertrag an Finanzinvestoren weiter, drohen jedoch ein schlechterer Kundenservice und niedrigere Überschüsse.
 

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