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Schneeballsystem: Was ist das? Warum ist das gefährlich?

von Thorsten Schierhorn, 27.08.2024

Eine Anzeige, der Tipp von Freund*innen, ein Flyer – ganz unverhofft verspricht man dir einen Superdeal. Du brauchst nur einzusteigen. Ist das die große Chance, die Tür zu einem Leben voller Reichtum, Luxus und Sorgenfreiheit? Vorsicht! Der Traum vom großen Geld kann blind machen. Erst recht, wenn du es mit geschickten Kriminellen zu tun hast, die dich über den Tisch ziehen wollen. Zum Beispiel mit einem Schneeballsystem. Wie das funktioniert und wie du so einen Betrug trotz aller Raffinesse der Kriminellen rechtzeitig erkennst, erfährst du hier.

Themen in diesem Artikel

Auf den Punkt

  • Schneeballsysteme versprechen dir hohe Gewinne, wenn du dafür eine bestimmte Summe Geld einsetzt.
  • Bedingung ist, dass du andere dazu bewegst, ebenfalls Geld einzusetzen.
  • Mit dem Geld der späteren Teilnehmer*innen werden die Gewinne früherer Teilnehmer*innen bezahlt.
  • Da ständig immer neue und immer mehr Teilnehmer*innen benötigt werden, brechen solche Systeme schnell zusammen.
  • In fast allen Fällen verlierst du dein eingesetztes Geld.
  • Schneeballsysteme sind Betrug und deshalb illegal.

Was ist ein Schneeballsystem?

Ein Schneeballsystem ist einfach erklärt: Es ist eine Betrugsmasche, bei der du in den meisten Fällen Geld verlierst. Dabei beginnt es immer mit einem verlockenden Angebot. Das Versprechen: Du investierst eine bestimmte Summe und schon machst du damit in kurzer Zeit hohe Gewinne. Das klingt doch gut. Also, was ist schlecht am Schneeballsystem, auch Pyramidensystem genannt? Dass die zugesagten Gewinne in erster Linie nur jene machen, die so ein Schneeballsystem ins Rollen gebracht haben.  

Alle Schneeballsysteme beruhen laut Definition darauf, dass die Teilnehmer*innen andere dazu bringen, ebenfalls Geld zu investieren. Diese Personen sollen dann ihrerseits noch mehr davon überzeugen zu investieren, und so weiter und so fort. Dadurch soll ein „Schneeballeffekt“ entstehen, bei dem die ständig wachsende Zahl an Teilnehmer*innen angeblich zu immer höheren Gewinnen führt.

Deshalb ist es möglich, dass du nicht von windigen Vertriebsleuten angeworben wirst, sondern von guten Bekannten oder mit dir befreundeten Menschen. Und das nicht etwa in der Absicht, dich übers Ohr zu hauen, sondern weil sie selbst den Betrug noch nicht durchschaut haben. Und vielleicht glauben sie sogar, dass sie dir etwas Gutes tun, indem sie dir die Tür zum großen Geld öffnen. 

Die Summen, um die es geht, sind nicht immer besonders hoch. Manchmal reichen ein paar Hundert Euro zum Einsteigen. Damit sollen möglichst viele zum Mitmachen bewegt werden, nach dem Motto: „Das kann man mal riskieren, vielleicht ist ja etwas dran.“ In anderen Fällen sollst du mehrere Tausend Euro investieren oder immer wieder frisches Geld nachschießen. Zurück bekommst du aber nicht einen Cent.

Umso wichtiger ist es, dass du solche Schneeballsysteme rechtzeitig erkennst. Deshalb sehen wir uns die Betrugsmasche genauer an.

Junge Frau und junger Mann unterhalten sich angeregt
© istock/Studio4/2020  Die Hoffnung, mit einem Schneeballsystem viel Geld zu machen, kann euphorisch wirken – und auf Bekannte überspringen.

Wie funktioniert das Schneeballprinzip?

Es ist nicht so, dass bei einem Schneeballsystem immer alle leer ausgehen. Manche machen große Gewinne. Allerdings nur sehr wenige und nur so lange, bis das System an sein Ende kommt. Und das geht sehr schnell. Dafür sorgt schon die Mathematik. Was damit gemeint ist, zeigt das Prinzip eines Schneeballsystems.

Stell dir eine Pyramide vor. An ihrer Spitze stehen die Drahtzieher*innen. Sie behaupten, ein besonders cleveres Produkt, eine begehrte Dienstleistung oder eine ertragreiche Finanzanlage vermarkten zu wollen. Dafür heuern sie Vertriebspartner*innen an. Diese sind die zweite obere Ebene der Pyramide. Um einzusteigen, musst du eine Art Startgebühr bezahlen.

Damit erwirbst du zum Beispiel eine Lizenz, um das Produkt weiterzuverkaufen. Oder du erhältst ein Coaching, bei dem du lernst, selbst weitere Vertriebspartner*innen anzuwerben. Oder du musst eine Menge X des eigentlichen Produkts kaufen. Wenn du dich darauf einlässt, gehörst du mit zur nächsten Ebene der Pyramide eine Stufe weiter unten.

Mann betrachtet eine Website auf dem Laptopbildschirm
© istock/FG Trade/2019  Schneeballsystem oder nicht? Sieh dir alle verfügbaren Informationen kritisch an.

Aber egal, ob Lizenz, Coaching oder Produkt: Gewinn machst du als Mitglied des Systems erst dann, wenn du selbst neue Mitglieder anwirbst, die ihrerseits Geld investieren. Mit deren Einsatz werden zunächst die Mitglieder auf den höheren Ebenen der Pyramide entlohnt. So eine Geldzahlung erweckt dann den Anschein, als würde man mit dem Produkt tatsächlich eine hohe Rendite erwirtschaften. Dabei stammt die in Wahrheit nicht aus irgendwelchen Verkäufen, sondern nur aus den Startgebühren der neuen Mitglieder.

Wann wer wie viel davon bekommt, ist von System zu System unterschiedlich. Manchmal räumen die Köpfe ganz oben alles ab, manchmal kriegen auch die unteren Ebenen der Pyramide etwas. Nur eins haben alle Systeme gemeinsam: Bevor ein frisch eingestiegenes Mitglied seinen Einsatz wieder einfahren kann, müssen unzählige weitere Mitglieder (= Einzahler*innen) angeworben werden. Durch die vielen Teilnehmer*innen bricht das System schnell zusammen und viele Leute verlieren Geld. Darum sind Pyramidensysteme verboten.

Beispiel für ein Schneeballsystem: Angenommen, du zahlst 1.000 Euro ein und wirbst zehn neue Mitglieder an. Diese Mitglieder bilden unter dir die nächstniedrige Ebene der Pyramide. Jede*r von diesen zehn holt wiederum zehn neue Einzahler*innen mit ins Boot – erst dann ist die nächste Ebene vollzählig. Für jede neue Ebene erhältst du in unserem Schneeballbeispiel 100 Euro.

Das heißt: Damit du nur 300 deiner 1.000 Euro zurückbekommst, müssen drei neue Ebenen entstehen. Jede neue Ebene besteht aus zehnmal so vielen Mitgliedern wie die vorige. Zusammengerechnet müssen also 1.110 weitere Personen nach dir einsteigen, damit du auf die 300 Euro kommst (siehe Grafik). Für die nächsten Ebenen sind dann 10.000, 100.000 und eine Million neue Mitglieder nötig. Und selbst bei dieser enormen Zahl an Neu-Einsteiger*innen hättest du immer noch nicht mal deinen Einsatz heraus.

Grafik Prinzip Schneeballsystem

Wegen dieses pyramidenartigen Prinzips werden Schneeballsysteme auch als „Pyramidensysteme“ bezeichnet.

Welche Schneeballsysteme gibt es?

Nicht immer läuft es so ab wie im vorigen Kapitel beschrieben. Es gibt auch Varianten, die anders aufgebaut sind. Sie alle funktionieren allerdings nach dem Pyramidenprinzip.

Kettenbrief

Hier erhältst du eine Nachricht per Post, E-Mail, Messenger oder auf einem ähnlichen Weg. Inhalt: Du sollst Geld an die Absender*innen senden und die Nachricht an deine Freund*innen weiterleiten. Die sollen ebenfalls zahlen, allerdings bekommst du davon nur einen kleinen Teil – der Rest geht an die früheren Versender*innen. Auch hier brauchst du sehr schnell sehr viele Mitstreiter*innen, um wenigstens deinen Einsatz einzuspielen.

Übrigens: Ähnlich wie Kettenbriefe sind auch Spam-Mails und Phishing-Attacken darauf ausgelegt, die Empfänger*innen zu täuschen.  

Schenkkreise

Dabei ist deine Geldeinlage ein „Geschenk“ an andere Teilnehmer*innen eines Freundschaftskreises. Später sollst du dann von den nachrückenden Mitgliedern ebenfalls ein (Geld-)Geschenk erhalten. Solche Kreise geben sich oft einen esoterischen Anstrich. Zum Beispiel wird behauptet, das Schenken befreie dich von einer inneren Last oder sorge für besonders intensive Freundschaften. Deshalb sind Schenkkreise auch als „Herzkreise“ bekannt.

Ponzi-System

Diese Masche ist benannt nach dem italienischen Betrüger Charles Ponzi. Hier investierst du angeblich in einen Anlagefonds oder ein vergleichbares Finanzprodukt. In Wahrheit aber wird dein Geld nie am Kapitalmarkt angelegt. Stattdessen werden davon Renditen an andere Anleger*innen ausgeschüttet.

Dieses betrügerische Spiel kann lange gutgehen. Rein rechnerisch könnte man dir zehn Jahre lang je zehn Prozent Rendite auszahlen – indem man dir einfach deine eigene Einlage häppchenweise zurückzahlt. Der Schwindel zeigt sich erst, wenn du und viele weitere Anleger*innen immer weiter Rendite haben oder die volle Einlage wieder ausgezahlt bekommen wollen. Dann wird frisches Kapital von neuen Einsteiger*innen benötigt – oder das System bricht zusammen.

Ist ein Schneeballsystem illegal?

Ja. Laut Paragraf 16 Absatz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) steht ein Schneeballsystem unter Strafe. Wer eins in Gang setzt oder aktiv unterstützt, dem drohen zwei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Schon der Versuch ist strafbar.

In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) werden Schneeballsysteme zudem als „sittenwidrig“ eingestuft. Grund: Es sei von vornherein klar, dass nur die Initiator*innen sichere Gewinne einfahren, während die große Masse ihre Geldeinlage verliert.

Es gibt nur eine Variante, die als legal gilt: das Multi-Level-Marketing (MLM), auch als Network-Marketing bekannt. Und was ist der Unterschied zwischen einem Schneeballsystem und Network Marketing oder MLM? Bei Letzterem erwirbst du konkrete Produkte, die du weiterverkaufst – ähnlich wie beim Dropshipping. Daneben kannst du weitere Verkäufer*innen anwerben, die die Produkte vertreiben. Von deren Verkäufen erhältst du dann eine Provision. Solange der Gewinn bei dieser Variante aus den konkreten Verkäufen der Produkte stammt, ist Multi-Level-Marketing nicht verboten.

Video: Die gefährliche Masche hinter Network Marketing | doku | defacto

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© hrfernsehen 

Was sind die Merkmale eines Schneeballsystems?

Wieso eigentlich können Betrüger*innen immer wieder Schneeballsysteme aufziehen und neue Opfer finden? Weil sie es schaffen, die Gefahren mit großen Versprechungen zu verschleiern. Sie zeigen nur die angeblichen Vorteile und Gewinne, unterdrücken kritische Nachfragen, bleiben bei Details im Unklaren. Dadurch kann man in ein Schneeballsystem hineingezogen werden, ohne es zu bemerken.

Lass dich deshalb nicht von der ersten Euphorie anstecken oder unter Zeitdruck setzen. Prüfe sorgfältig jedes Angebot, egal wie attraktiv es dir zunächst erscheint. Dabei helfen dir die folgenden Hinweise:

  • Werde hellhörig bei Angeboten, die eine übermäßig hohe Rendite versprechen. Bei angeblichen Gewinnen von 10, 20, 30 oder sogar noch mehr Prozent sollten die Alarmglocken klingeln. Wenn eine Chance zu schön klingt, um wahr zu sein – dann ist sie oft nicht wahr.
  • Achte auf Widersprüche. Frage dich zum Beispiel, warum so ein attraktiver Trick zum Geldverdienen nicht geheim gehalten wird, damit einige wenige umso mehr davon profitieren. Oder warum du möglicherweise Geld ins Ausland überweisen sollst, obwohl der Firmensitz vielleicht in Deutschland ist.
  • Finger weg von Geschäftsmodellen, bei denen du viele Menschen aus deinem Umfeld dazu bringen sollst, ebenfalls einzusteigen. Selbst wenn du (noch) vom Geschäftsmodell überzeugt bist: Denke daran, was das für deine Freundschaften bedeuten kann, wenn es schiefgeht.
  • Nimm das Infomaterial des Unternehmens gründlich unter die Lupe. Ist alles vollständig und nachvollziehbar? Gibt es zum Beispiel ein ausführliches Impressum auf der Website der Organisation? Stimmen alle Angaben überein? Verstehst du das Produkt, um das es scheinbar geht? Ist es für dich nachvollziehbar, wie und an wen das Produkt angeblich verkauft werden soll? 
  • Suche im Internet nach Erfahrungen von anderen mit diesem Unternehmen. Gibt es Portale, die davor warnen? Die Bankenaufsicht BaFin zum Beispiel veröffentlicht auf dieser Seite regelmäßig die Namen von Unternehmen, die mit unredlichen Methoden arbeiten. Seriöse Finanzdienstleister dagegen findest du in dieser Unternehmensdatenbank der BaFin.

Übrigens: Beim Crowdinvesting investieren zwar auch viele Personen Geld in ein einziges Unternehmen, das System dahinter ist aber ein völlig anderes – und seriös, wenn auch riskant. Mehr dazu erfährst du in diesem KlarMacher Artikel. 

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