Ein Mensch hält in seinen Händen zwei unterschiedlich hohe Münzsäulen
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Gender-Pay-Gap: Einfach erklärt!

Anna Ostrowska
von Anna Ostrowska, 01.09.2022

Im Krankenhaus, im Büro, im Supermarkt oder in einer Bank – längst arbeiten Männer und Frauen nahezu überall Seite an Seite. Dieselbe Arbeit heißt aber noch lange nicht immer dasselbe Gehalt. Es gibt nämlich den Gender-Pay-Gap: In Deutschland verdienten Frauen im Jahr 2021 im Schnitt knapp ein Fünftel weniger als Männer. Beim bereinigten Gender-Pay-Gap fällt die Verdienstlücke schon deutlich kleiner aus. Was hat es mit den unterschiedlichen Zahlen auf sich? Und wie sieht es mit der Gleichstellung in Europa aus? Das und mehr machen wir hier klar. 

Themen in diesem Artikel

Auf den Punkt

Auf den Punkt

  • Gender-Pay-Gap ist ein Begriff dafür, dass Frauen im Schnitt weniger Gehalt bekommen als Männer.
  • Es gibt den unbereinigten und bereinigten Gender-Pay-Gap.
  • Der unbereinigte Gender-Pay-Gap zeigt den Unterschied beim Durchschnittsgehalt aller Frauen und Männer – egal in welcher Branche sie arbeiten oder wie lange pro Woche.
  • Der bereinigte Gender-Pay-Gap zeigt den Unterschied beim Gehalt von Männern und Frauen, wenn sie dieselbe Tätigkeit ausüben.

Gender-Pay-Gap: Was ist das?

Gender-Pay-Gap bedeutet auf Deutsch „Geschlechter-Lohn-Lücke”. Sprich: Der Begriff steht für die Unterschiede bei den Gehältern und Löhnen zwischen Männern und Frauen. Wie groß sind die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede? Das kommt darauf an. Es gibt nämlich Statistiken zu dem sogenannten bereinigten und unbereinigten Gender-Pay-Gap. Beide haben jeweils eine andere Aussagekraft. Denn das Statistische Bundesamt in Deutschland berechnet sie mit verschiedenen Daten. Die jeweiligen Ergebnisse sind somit auch nicht direkt miteinander vergleichbar.

Was und wann ist der Equal Pay Day?

Was und wann ist der Equal Pay Day?

Wie stark sind Frauen durch ungleiche Bezahlung benachteiligt? Das soll der Equal Pay Day verdeutlichen. Dieser „Tag der gleichen Bezahlung“, wie er im Deutschen heißt, hat kein festes Datum. Sondern er wird jedes Jahr neu berechnet. Der Gedanke dahinter: Wenn beide Geschlechter das ganze Jahr über arbeiten, die Frauen aber weniger verdienen – bis zu welchem Tag des Jahres haben sie dann quasi umsonst gearbeitet? Dieser Tag ist der Equal Pay Day. Im Jahr 2021 war der Tag auf den 7. März gefallen – ausgerechnet einen Tag vor dem Frauentag.

Die Kampagne rund um den Equal Pay Day wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Was ist der unbereinigte Gender-Pay-Gap?

Jedes Jahr stellt das Statistische Bundesamt einen Vergleich auf: Wie viel haben die Männer und Frauen in Deutschland im Durchschnitt pro Stunde brutto verdient? Und das, was dabei als Unterschied herauskommt, ist der sogenannte unbereinigte Gender-Pay-Gap. In Deutschland lag dieser 2021 in Ostdeutschland (ohne Berlin) bei 6 Prozent und Westdeutschland bei 19 Prozent.

Die gerundeten Durchschnittswerte für Gesamtdeutschland lagen:

  • 2021 bei 18 Prozent – in Euro ausgedrückt: Die Durchschnittsfrau verdient brutto 4,08 Euro weniger pro Stunde als der Durchschnittsmann.
  • 2020 bei 18 Prozent.
  • 2019 bei 19 Prozent.
  • 2018 bei 20 Prozent.
  • 2017 bei 20 Prozent.
  • 2016 bei 21 Prozent.

Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern scheint in Deutschland also zurzeit konstant zu sinken? Ja, aber sie ist zwischendurch auch schon mal angestiegen: In den Jahren 2010 und 2011 betrug der Lohnunterschied 22 Prozent und im Jahr 2012 wieder 23 Prozent. Deswegen ist die Tendenz mit Vorsicht zu betrachten.

Eine Kollegin und Kollege schauen zusammen auf ein Smartphone und freuen sich
© istock/mixetto/2021  Ob die Gehaltserhöhung reicht, um so viel wie der Kollege zu verdienen? Im Durchschnitt liegt sein Lohn rund ein Fünftel höher.

Was ist der bereinigte Gender-Pay-Gap? 

Ein rundes Fünftel mehr Lohn für die Männer? Was ungerecht klingt, muss nicht immer ungerecht sein. Denn es gibt einige Gründe dafür, warum alle Frauen zusammengenommen pro Stunde durchschnittlich weniger verdienen. 

Sie arbeiten zum Beispiel häufiger in geringerem Umfang, also in geringfügigen Beschäftigungen, Teilzeit, oder sie unterbrechen ihre Arbeit – meist für die Kinderbetreuung. Das bedeutet oft auch weniger Gehalt. Unter anderem, weil höhere, besser bezahlte Positionen oft die Vollzeitarbeit oder viele Jahre Arbeitserfahrung voraussetzen – zumindest aus Arbeitgebersicht. Ein zweiter Grund: Sie arbeiten im Vergleich zu Männern öfters in schlechter bezahlten sozialen Berufen, Positionen – weniger Führungspositionen – oder Branchen.

Solche Umstände hat der unbereinigte Gender-Pay-Gap nicht im Blick. Daher berechnet das Statistische Bundesamt noch einen zweiten Wert, den bereinigten Gender-Pay-Gap. Dazu vergleichen Statistiker*innen die Daten aus den verschiedenen Branchen und nehmen den erklärbaren Gehaltsunterschied heraus – sie „bereinigen” also die Daten. Was übrig bleibt, ist der Lohn- oder Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern bei vergleichbarer Arbeit, Berufserfahrung und -qualifikation. 

Da diese Studie sehr aufwendig ist, ermittelt das Statistische Bundesamt den bereinigten Gender-Pay-Gap nur alle vier Jahre. Aktuell liegen deswegen nur die Zahlen aus dem Jahr 2018 vor: Arbeitnehmer*innen verdienten 2018 durchschnittlich sechs Prozent weniger als ihre Kolleg*innen mit demselben Job.

Wie hoch ist das Durchschnittseinkommen in Deutschland?

Wie hoch ist das Durchschnittseinkommen in Deutschland?

Im Jahr 2021 verdienten Vollzeitangestellte in Deutschland durchschnittlich rund 4.100 Euro brutto pro Monat. Am meisten verdienen Arbeitnehmer*innen aus der Erdöl- und Erdgasgewinnungs-Branche – mit rund 5.693 Euro pro Monat. Die niedrigsten monatlichen Verdienste gibt es im Gastgewerbe mit 2.138 Euro.

Unterschiedliche Zahlen zur Lohnlücke: Welche Statistik ist richtig?

Der unbereinigte Gender-Pay-Gap sagt: Frauen verdienen rund 20 Prozent weniger. Der unbereinigte Gender-Pay-Gap sagt: Der Unterschied ist nur 6 Prozent. Welche Zahl ist nun besser, realistischer, „richtiger“? 

Keine von beiden. Klar: Auf den ersten Blick scheint der bereinigte Gender-Pay-Gap aussagekräftiger zu sein. Schließlich zeigt er die Gehaltsunterschiede bei vergleichbarer Arbeit. Wenn Sie aber wissen wollen, wie groß die Verdienstunterschiede sind, die auf die verschiedenen Verhaltensweisen und Entscheidungen von Frauen und Männern zurückzuführen sind? Zum Beispiel, weil Frauen andere Berufe wählen oder wegen der Kinderbetreuung weniger arbeiten? Dazu gibt der unbereinigte Gender-Pay-Gap besser Auskunft als der bereinigte. Je nachdem, was Sie also erfahren wollen, ist die eine oder andere Statistik die richtige.

Allerdings sollten Sie bedenken: Es gibt Faktoren, die weder bei der einen noch bei der anderen Statistik berücksichtigt werden. Doch auch sie spielen bei der Gehaltshöhe eine Rolle. Das sind zum Beispiel:

  • Risikobereitschaft
  • Selbstbewusstsein
  • Eigennützig orientiertes Verhalten
  • Karriereorientierung

In Gehaltsverhandlungen können Männer damit vielleicht besser punkten und mehr für sich herausschlagen. Unterm Strich bleibt: Es wird niemals ganz zu klären sein, ob und wie viel Einfluss das Geschlecht auf die Gehaltslücke hat. 

Übrigens: Ein weiterer Grund für die unterschiedlichen statistischen Zahlen ist, dass auch andere Institute wie das Wirtschaftsinstitut den Gender-Pay-Gap mit anderen Daten berechnen. 

Gender-Pay-Gap – Mehr Geld für Spielerinnen im Frauenfußball?

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Gender-Pay-Gap und Gleichstellung in Europa

 

Alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ermitteln den unbereinigten Gender-Pay-Gap auf dieselbe Weise – zuletzt im Jahr 2020: Im Vergleich zu den 27 anderen EU-Ländern schneidet Deutschland dabei schlecht ab. Mit einer Lohnlücke von 18,3 Prozent sind die Deutschen auf dem viertletzten Platz. Noch größer sind die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern nur in:

  • Lettland mit 22,3 Prozent.
  • Estland mit 21,1 Prozent.
  • Österreich mit 18,9 Prozent.

Den kleinsten Gender-Pay-Gap haben:

  • Luxemburg mit 0,7 Prozent.
  • Rumänien mit 2,4 Prozent.
  • Slowenien mit 3,1 Prozent.

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Sagen große Lohngefälle auch etwas über die Gleichstellung in einem Land aus? Nicht unbedingt! Denn beim Geschlechter-Gleichstellungsindex des Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) steht Deutschland deutlich besser da, und Rumänien wiederum gehört zu den Schlusslichtern.

Zwar gehören natürlich auch Arbeit und Vergütung zu den Faktoren, die etwas über die Gleichstellung aussagen – neben Bildung, Zeit, Macht, Gesundheit und Gewalt gegen Frauen. Aber Deutschland lag im Jahr 2021 mit 68,6 von 100 möglichen Punkten (= vollständige Gleichstellung) immerhin auf dem zehnten Platz von 27. Vorreiter der Gleichstellung sind die Schweden mit einem Index von 83,9, gefolgt von Dänemark und den Niederlanden. Viel aufzuholen hingegen haben Griechenland mit 52,5 Punkten, Ungarn mit 53,4 Punkten und Rumänien mit 54,5 Punkten.

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