
Handy-Games oder Brettspiele: Wer holt die volle Punktzahl?

Die einen messen ihre Kräfte bei Handy-Games gegen den Computer oder anonyme Gegner aus den Tiefen des Internets. Die anderen setzen sich zum gemeinsamen Brettspiel an den Tisch und wollen es wissen: Wer ist der Beste, wer hat das meiste Glück, wer kommt als Erster ins Ziel? Doch welche Gruppe hat mehr Spaß? Welche gibt weniger aus? Zeit für den Vergleich.
Themen in diesem Artikel
- Preis: Was ist Badstraße, was Schlossallee?
- Fesselfaktor: Was lässt einen nicht mehr los?
- Abwechslung: Wo findet auch der größte Spielemuffel sein Glück?
- Bequemlichkeit: Wo kann es sofort losgehen?
- Geselligkeit: Wo ist geteilte Freude doppelte Freude?

Preis: Was ist Badstraße, was Schlossallee?
Brettspiele sind noch ein Handel wie aus guter alter Zeit: Das zahlst du, das bekommst du. Allerdings fällt mancher Preis mitunter ganz schön happig aus. Der simpel gestaltete Klassiker „Mensch, ärgere dich nicht“ kostet bereits um die 15 Euro. Für aufwendig gestaltete Brettspiele wechseln auch schon mal 60 oder 70 Euro den Besitzer.
Sind Brettspiele also quasi die teure Schlossallee aus „Monopoly“, während es viele Handy-Games noch günstiger als die Badstraße gibt, nämlich umsonst? Vorsicht! Denn die Preismodelle der Smartphone-Spiele sind so übersichtlich wie der Straßenverkehr in Indien. Gratis, dafür mit Werbung? Im Abo oder mit Season Pass? Zum Fixpreis? Alles ist möglich.
Besonders undurchsichtig wird es bei sogenannten In-App-Käufen: Das Spiel gibt es umsonst, dafür lauern allerlei Extrakosten für Münzen, Rohstoffe, Power-ups und anderen Klimbim, mit dem man schneller vorankommt. Stolze 1,5 Milliarden Euro gaben die Deutschen im Jahr 2018 allein für diese Boni aus – fast genauso viel wie für Musik (Downloads, CDs, Streaming). Oder anders gerechnet: Die In-App-Käufe allein kosten so viel wie einhundert Millionen „Mensch, ärgere dich nicht“-Spiele.
Preiswert ist, was seinen Preis wert ist. Die Brettspiele punkten aber mit ihrer Preistransparenz: 0:1.
Fesselfaktor: Was lässt einen nicht mehr los?
Wie geht es am schnellsten durchs verrückte Labyrinth? Wo in London versteckt sich Mister X? Und ist Baronin von Porz etwa eine Mörderin? Diese Fragen beschäftigen Brettspiel-Fans schon seit Jahrzehnten. Die Gaming-Industrie hält dagegen mit immer neuen Updates, spektakulären Grafiken und mobilen Versionen von Konsolen- und PC-Hits. Und nicht selten klauen sie die altbewährten Ideen aus der analogen Spielewelt. „Monopoly“, „Scrabble“, „Siedler von Catan“: Kaum ein Klassiker, den es nicht längst auch als App gibt.
Doch wenn die U-Bahn am Ziel angekommen ist, das Abendessen auf dem Tisch steht, die Freunde zum Kicken gegen die Nachbarstraße rufen, kann man sein Smartphone-Spiel genauso gut abspeichern und später weitermachen. Beim Brettspiel dagegen tritt die Runde vielleicht wochenlang nicht wieder zusammen. Also Sieg oder Niederlage? Das muss geklärt werden. Hier. Jetzt. Sofort.
Brettspiel ist, wenn es plötzlich schon drei Uhr nachts schlägt. Neuer Spielstand: 0:2.

Abwechslung: Wo findet auch der größte Spielemuffel sein Glück?
Es gibt Spiele, die man nur in der ganz realen Welt vermutet. „Mikado“ zum Beispiel. Oder „Ubongo“. Oder „Jenga“. Doch siehe da: Auch diese Klassiker gibt es längst als digitale Smartphone-Version. Und unzählige weitere Spiele-Apps obendrauf. Deshalb gibt es für die Brettspiele hier nichts zu holen. Allein die Spiele-Kategorien von „Arcade“ über „Action“ bis „Puzzle“ scheinen bei Google Play und im App Store zahlreicher als die Buchstaben in einem „Scrabble“-Säckchen. Und hinter jeder dieser Kategorien verbergen sich Hunderte von einzelnen Spielen. Wer da nicht das Richtige findet, findet auch die Sechs auf einem Würfel nicht.
Dieselbe Auswahl an Brettspielen? Da müsste ein Geschäft wohl schon eine Lagerfläche in der Größe der World-of-Worldcraft-Welt Azeroth anmieten. Und die Apps würden immer noch gewinnen.
Immerhin: „Spitz pass auf“ gibt es nicht als App. Bis jetzt.
Jedes Handy-Game nur einmal spielen wäre schon zu viel für ein Menschenleben. Damit nur noch 1:2.
Bequemlichkeit: Wo kann es sofort losgehen?
Noch eine Runde Brettspiel gefällig? Dann heißt es: alles wieder zusammensammeln, die Spielfläche wieder freiräumen, die Figuren auf ihre Ausgangsposition, den Klötzeturm neu aufgebaut, die Karten mischen und austeilen, die Hindernisse aufstellen. Und immer, wirklich jedes Mal, fehlt am Ende ein Teil. Das liegt dann fast unerreichbar unter dem Sofa. Oder bleibt verschwunden, bis nachts im Dunkeln jemand versehentlich drauftritt – und mit einem markerschütternden Schrei die halbe Nachbarschaft aufweckt.
Und Handy-Games? Smartphone entsperren, App öffnen, neues Spiel beginnen – los geht’s.
Selbst der größte Spielekarton passt in das kleinste Smartphone. Ausgleich zum 2:2.

Geselligkeit: Wo ist geteilte Freude doppelte Freude?
Brettspiele heißen auch „Gesellschaftsspiele“ – und das nicht ohne Grund. Allein „Cluedo“ oder „Malefiz“ spielen ist wie Tennis gegen sich selbst: Kann man versuchen, ist aber nicht wirklich dasselbe. Denn erst die Gegner machen schließlich den Reiz aus. Wer schafft es endlich, den prahlerischen Papa beim „Monopoly“ um Haus und Hof zu bringen? Warum gewinnt beim „Memory“ immerzu dieser kleine Rotzlöffel? Wieso hat Mama bei den „Siedlern von Catan“ noch so unverschämt viele Rohstoffe? Ohne Frotzeleien ist ein Brettspiel kein Brettspiel.
Bei Handy-Games ist man meistens allein unterwegs. Immerhin: Wer keine Kontrahenten findet, kann gegen virtuelle Gegner beim „Skat“, „Kniffel“ und „Schach“ antreten. Und online stehen jederzeit ein, einhundert, eine Million reale Mitspieler bereit. Aber die bleiben meistens anonym, versteckt hinter Pseudonymen wie Frühstückchen123, DerGrosseAlleskönner oder Luke Schreiwalker. Mal ernsthaft: Wie will man da den nötigen Kampfeswillen entwickeln?
Smartphone-Zocken ist wie Musik-Streaming, Brettspiel ist wie Livekonzert. Sieg fürs Brettspiel: 2:3.
Fazit: So richtig nett wird’s nur am Brett
Fazit: So richtig nett wird’s nur am Brett
Keine Frage: Handy-Games sind der perfekte Quickie für zwischendurch. Und wer sich an epische Spiele wie „Clash of Clans“ oder „Forge of Empires“ heranwagt, kann Stunde um Stunde in den Fantasiewelten zubringen. Auch wenn er, um schneller voranzukommen, womöglich mehr Geld investieren muss als anfangs gedacht.
Und dennoch hält sich der Ehrgeiz in Grenzen. Oder hat schon einmal jemand vor Wut sein Smartphone in die Ecke geschmissen? Nein? Bei Brettspielen dagegen, speziell mit Kindern, ist das Umschmeißen von Figuren an der Tagesordnung. Kein Wunder: Wohl kaum etwas schürt die Emotionen so sehr wie der Vergleich von Angesicht zu Angesicht. Und wenn sich alle wieder vertragen haben, bleibt so ein gemeinsamer Spieleabend deutlich länger in Erinnerung.
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