Ein Helikopter von unten im Regen zwischen Hochhäusern
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Geldregen von oben: So funktioniert Helikoptergeld

von Bianca Sellnow, 23.06.2020

Stellen Sie sich vor, auf Ihrem Konto tauchen einfach so 1.000 Euro auf, die Sie nach Lust und Laune ausgeben können. So in etwa ist die Idee hinter dem sogenannten Helikoptergeld, das in Krisenzeiten immer mal wieder Thema in Nachrichtensendungen oder im Wirtschaftsteil der Zeitung ist. Dabei handelt es sich in der Regel um Geldgeschenke an die Bevölkerung. Aber wer genau bekommt dann das Geld? Wer entscheidet darüber? Und was soll es bringen? Die KlarMacher zeigen, was es mit dem Helikopter auf sich hat.

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Was genau ist Helikoptergeld?

Im ursprünglichen Sinn des Begriffs ist Helikoptergeld Geld, das von den Notenbanken eigens gedruckt wird, um es an die Bevölkerung zu verteilen. Die Empfänger können völlig frei entscheiden, was sie mit dem Geldsegen machen. Es sind keinerlei Bedingungen daran geknüpft: Das Geld muss weder für einen bestimmten Zweck genutzt noch zurückgezahlt werden.

In Krisenzeiten, wie zum Beispiel während der Corona-Pandemie, wird über Helikoptergeld jedoch häufig in einem etwas anderen Sinn gesprochen. Es geht dabei zwar immer noch um Geldgeschenke, doch die kommen in der Regel vom Staat statt von der Notenbank.

Dabei handelt es sich dann auch nicht um neu gedrucktes, sondern um bereits vorhandenes Geld. Das kann zum Beispiel aus der Steuerkasse kommen oder der Staat verschuldet sich, um seine Bürger finanziell zu unterstützen. Bei dieser erweiterten Definition von Helikoptergeld sind nicht mehr zwingend nur Geldgeschenke an Privatpersonen gemeint, sondern auch Finanzspritzen an Firmen. Wenn derzeit von Helikoptergeld die Rede ist, sind üblicherweise solche staatlichen Unterstützungsleistungen gemeint.

Frisches Geld zu drucken, um es in schlechten Zeiten an seine Bevölkerung zu verteilen, hat sich bisher noch kein Land der Welt getraut. Eine solche Aktion könnte auch komplett nach hinten losgehen. Mehr darüber erfahren Sie weiter unten im Abschnitt „Warum ist Helikoptergeld so unpopulär?”

Woher kommt der Begriff Helikoptergeld?

Woher kommt der Begriff Helikoptergeld?

Der Begriff stammt aus einer Abhandlung des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Milton Friedman aus dem Jahr 1969. Um seine abstrakten Ideen greifbarer zu machen, nutzte er folgendes Bild: Die Notenbank druckt einmalig zusätzliches Geld, das in einen Helikopter geladen und über einem fiktiven Ort abgeworfen wird. Dann beschäftigte er sich damit, wie die Einwohner dieses Ortes wohl auf den Geldsegen reagieren.

Dabei handelte es sich aber um ein reines Gedankenspiel, mit dem der Wissenschaftler seine Theorien zum Geldmarkt veranschaulichen wollte. Als ernsthafte Maßnahme war das Helikoptergeld von Friedman nicht gedacht. Im Zuge der weltweiten Finanzkrise kam es trotzdem als politische Maßnahme ins Gespräch. Mehrere Notenbanken weiteten in dieser Zeit die Geldmenge aus, mit dem Ziel die Wirtschaft aus der Krise zu holen. 

Wie wird Helikoptergeld verteilt?

Ganz sicher wird es keine Hubschrauber geben, die über die Städte fliegen und im großen Stil Geldscheine regnen lassen. Es gibt deutlich zielführendere Möglichkeiten, um solche Sonderzahlungen zu veranlassen. Zum Beispiel durch

  • Überweisungen: Jeder Bürger bekommt das Geld automatisch auf sein Konto überwiesen.
  • Barauszahlungen: Die Leistung wird von Banken oder anderen Stellen an die Bürger ausgezahlt, die sich dort melden. So wurde es zum Beispiel bei der Auszahlung des Begrüßungsgeldes nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze 1989 gehandhabt. Gegen Vorlage ihres Ausweises zahlten westdeutsche Sparkassen und Banken DDR-Bürgern 100 D-Mark aus.
  • Schecks: Die Bürger erhalten einen Scheck zugeschickt oder ausgehändigt, den sie einlösen können. Die USA haben diese Möglichkeit beispielsweise während der Corona-Krise genutzt. Dort hat die Regierung für Bürger unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze 1.200 Dollar locker gemacht. Die Empfänger erhielten in vielen Fällen einen Scheck per Post. In den USA sind solche Papier-Schecks sehr viel gebräuchlicher als hierzulande.

Anstatt Geld auszuzahlen, können Regierungen aber auch auf indirektem Weg finanziell unterstützen. Nämlich indem sie dafür sorgen, dass Verbrauchern mehr Geld zur Verfügung steht. Das geht zum Beispiel durch:

  • Steuersenkungen: Der Staat könnte Steuern reduzieren und so für niedrigere Preise sorgen. Einen Vorstoß in diese Richtung macht die Bundesregierung in der Corona-Krise: Vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 sinkt die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, der für viele Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs gilt, wird von 7 auf 5 Prozent reduziert. Dadurch sollen Verbraucher beim Einkaufen günstiger wegkommen. Das funktioniert allerdings nur, wenn Händler die Steuersenkung an ihre Kunden weitergeben und die Preise entsprechend reduzieren. Ansonsten erhöht sich nur der Gewinn des Verkäufers.
  • Steuererleichterungen: Die Regierung könnte dafür sorgen, dass Arbeitnehmer mehr Netto von ihrem Bruttolohn aufs Konto überwiesen bekommen. Gerade wieder in der Diskussion ist zum Beispiel die Abschaffung des Solidaritätsbeitrags. Aber auch eine Senkung oder ein Erlass der Einkommensteuer für beispielsweise ein Jahr wären hier denkbar.
Viele 100-Euro-Scheine fallen vom Himmel
© istock/peterschreiber.media/2019  In der Corona-Krise wurde bereits in einigen Ländern Helikoptergeld abgeworfen.

Was soll die Finanzspritze bringen?

Regierungen verteilen finanzielle Hilfen nicht aus reiner Nettigkeit. Dahinter steht immer ein klares Ziel: Helikoptergeld soll die Wirtschaft ankurbeln. Die Theorie: Wenn die Menschen mehr Geld zur Verfügung haben, geben sie auch mehr aus. Deshalb kommt das Helikoptergeld in Krisenzeiten immer wieder ins Gespräch.

 Im Idealfall sorgt mehr Konsum dafür, dass es nicht nur den Unternehmen besser geht: Sie verkaufen mehr, können deshalb neue Mitarbeiter einstellen, verdienen mehr Geld. Und am Ende nimmt der Staat dadurch mehr Steuergelder ein.

Nebenbei kann die Finanzspritze auch die Inflationsrate erhöhen. Mit Inflation verbinden zwar viele Verbraucher erst einmal nichts Gutes. Doch in gewissem Umfang ist sie wichtig für eine lebendige Wirtschaft. Warum, erfahren Sie in dem Artikel „Darum macht die Inflation alles teurer.”

Helikoptergeld in der Corona-Krise: Diese Länder haben bereits Geld an Bürger ausgezahlt

Helikoptergeld in der Corona-Krise: Diese Länder haben bereits Geld an Bürger ausgezahlt

In Deutschland haben bislang nur Unternehmen und Selbstständige Corona-Soforthilfen vom Staat erhalten. In anderen Ländern wurden im Zuge der Corona-Krise aber auch schon direkte Hilfszahlungen an die Bevölkerung beschlossen. Zum Beispiel in … 

  • Hongkong: Jeder Erwachsene mit festem Wohnsitz in Hongkong erhielt 10.000 Hongkong-Dollar, das sind rund 1.180 Euro.
  • Australien: Personen mit geringem Einkommen, unter anderem Rentner und chronisch Kranke, wurden einmalig 750 Australische Dollar (ca. 460 Euro) ausgezahlt.
  • USA: Steuerzahler unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze erhielten eine Einmal-Zahlung von 1.200 US-Dollar, umgerechnet rund 1.070 Euro.
  • Japan: Jeder Einwohner Japans bekommt 100.000 Yen ausgezahlt, das sind etwa 860 Euro.

Warum ist Helikoptergeld so unpopulär?

In der Gleichung zum Helikoptergeld gibt es viele Unsicherheiten. Was ist zum Beispiel, wenn die Menschen das Geld lieber auf die hohe Kante legen statt es mit vollen Händen auszugeben? Dann würde das Geld eben nicht direkt in die Wirtschaft fließen und so die Inflation auch nicht im gewünschten Maße vorantreiben. Der Effekt verpufft komplett, aber der Staat hat deutlich weniger Geld in der Tasche.

Viele Experten in Deutschland sehen deshalb auch staatliche Geldgeschenke an Verbraucher in der Corona-Krise kritisch. Denn anders als zum Beispiel in den USA greifen hierzulande in Krisenzeiten schon diverse andere Schutzmechanismen. Zum Beispiel Kurzarbeitergeld oder auch Arbeitslosengeld. Helikoptergeld für alle würde deshalb also nicht unbedingt da ankommen, wo es am dringendsten benötigt wird. 

Bei „echtem” Helikoptergeld – also dem extra neu gedruckten Geld – besteht ein weiteres Risiko. Wenn plötzlich viel mehr Geld im Umlauf ist, aber gleichzeitig nicht mehr Waren auf dem Markt sind, wird womöglich einfach alles sehr viel teurer. Die Folge: Die Menschen kaufen nicht mehr und nicht weniger als vorher. Zu diesem Schluss kam Milton Friedman, der Vater des Helikoptergeldes, schon 1969.

Kritiker warnen außerdem davor, dass Staaten sich an das Helikoptergeld gewöhnen könnten und einfach bei jeder Krise neues Geld verteilen. Und das kann nicht absehbare Folgen haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Notenbanken tatsächlich neu gedrucktes Geld als Hilfsmaßnahme verteilen, ist allerdings zumindest in Europa sehr gering. Die Notenbanken dürfen nämlich nicht einfach ohne Weiteres die Geldmenge erhöhen. Und Staaten ist es sogar ausdrücklich verboten, finanzielle Engpässe durch das Drucken von neuem Geld zu finanzieren.

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